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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Glaspalast 1924: zur Ausstellung des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0046
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KARL KAHL Bronzeplakette „Madonna im Rosenhag"

liehen Talents aus. Während die hübschen Kinder»
schuhe im geometrischen Stil geziert sind, ist die pelz»
besetzte, farbenfrohe Weste, wieder in der Koloristik
strotzendeTeewärmer mit üppigem figürlichem Schmuck
bestickt, während umgekehrt die reizvolle Kinder»
garnitur mit Pelzbesatz durch ihre feingewollte Ein»
fachheit wirkt. Im allgemeinen ist der Künstlerin zu
raten, mit ihren mühelosen, reichen Einfällen in der
Ausführung maßzuhalten, auch in ihrer verschwende*
rischen Freude an Farben, damit nicht das Allzuviel
auf einem Gegenstand den Beschauer zu sehr in An-
spruch nimmt. Von ihrer Entwicklung hat das baye»
tische Kunstgewerbe noch Besonderes zu erwarten.
Aus dem Gebiet der Spitzen haben sich Arbeiten
von Kriemhild Lohr,Wally Widnmann, Grete Stürmer,
Eleonore Endrud<s«Leichtenstern zusammengefunden.

An gewerblichen Holzplastiken seien erwähnt, die
eingelegten geschmackvollen Schmuddcästchen von
Karl Fritz und die Holzkassetten der Flötnerwerk-
statt. Auf die Bucheinbände von Gustav Keilig und
die gestiduen Buchumschläge von Irmgard Ritter»
Kauermann sei schließlich ebenso hingewiesen, wie
auf die handgeschnittenen Scherenschnitte von Gertrud
Pfeil=Bolsinger. Um buntfarbigen Fensterschmuck
haben sich Adolf von der Heydt und die Glasmalerei
F. X. Zettler verdient gemacht.

Wie gezeigt, ist es eine große Fülle von einzelnen
Arbeiten, derer in einem allgemeinen Überblick nur
flüchtig gedacht werden konnte, und die man über»

haupt vollzählig zu nennen oder gar zu besprechen
nicht vermag. Man kann vielmehr den Ausstellungs»
räum nur mit dem Wunsch verlassen, das bayerische
Kunsthandwerk möge auf dem mutig betretenen Pfad
der Verarbeitung unseres modernen Form= und
Farbenempfindens tapfer und ohne rückwärts zu
blicken weiter schreiten, dabei aber nie vergessen, daß
es berufen ist, von der Psyche der Masse Besitz zu
ergreifen, d. h. sich aller Gegenstände des täglichen
Lebens zu bemächtigen, unter größter Sparsamkeit
an Material und rein handwerklicher Arbeit und mit
daher billigsten Gestehungskosten, um alle geschmack»
verderbenden Massenartikel der verflachenden Fabrik»
arbeit zu überflügeln. DieserTeil des Kunsthandwerks
ist neben jenen Werken, die nur ein bestimmter Auf»
wand für behagliche Lebenshaltung sich leisten kann,
immer noch nidit genügend gewürdigt und gepflegt,
und es scheint uns, als sei gerade dieser in den gegen»
wärtigen Zeiten der Geldknappheit fast noch wichtiger
als der gewaltige Überschuß an prachtvollen, kulturell
nicht hodi genug einzuschätzenden, mehr luxuriösen
Ausschnittendes Kunsthandwerks, dem zwar die Sym»
pathie der Besucher, nicht aber auch deren Geldkraft
sicher ist.

WETZSTEIN Messingleuchter (Ausf. Bauer <© Schacherl)
„Tag und Nacht"

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