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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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N. Z.: Ferdinand von Miller d. ä. und der bayerische Kunstgewerbeverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0083
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BLICK IN DIE WERKSTÄTTEN DER ERZGIESSEREI
MIT DEN VIER HILDEBRAND'SCHEN FIGUREN VOM HUBERTUSTEMPEL

Goldschmie»
dekunst be-
deutete,istzu
sehr in aller

Gedächtnis
als daß hier
ausführlicher
darüber ge-
sprachen wer»

den müßte.
Es wäre ein
undankbares
Beginnen,das
Lob vergan»
gener Zeiten

zu singen,
aber man
muß darüber

nachdenken,
warum man»

che Errun»

genschaften,
die dereinst

auf bedeutende Höhe gebracht worden sind, im Lauf
der Jahre wieder zurückgesunken sind. Schöpferische
Arbeit als Künstler und organisatorische Förderung
des Kunstschaffens sind zweierlei Dinge und fordern
Gaben, die selten einer in sich vereinigt, ja die manche
Gegensätzlichkeit enthalten : Phantasie — und nüch»
ferner Wirklichkeitssinn, Freude am Schönen — und
zähe Tatkraft, Begeisterung — und wirtschaftlicher
Weitblick.

Was aber allem Anschein nadi jene ganze ehrliche
Zeit vor uns voraus hatte, das war ein Bedürfnis nach
Wahrheit und Gradheit.Ferdinand vonMillers Gegner
erkannten rüd^haltslos seine persönliche Lauterkeit
und Selbstlosigkeit an, müssen also auch selbst solche
besessen haben. Und auch deshalb ist es erfrischend
in der einschlägigen Literatur jener Zeiten zu blättern,
weil damals mit klaren Worten ausgedrückt wurde,
was man meinte und erstrebte. Inzwischen ist — wohl
nichtohneMithilfe eines berufsmäßigen Kunstjournalis*
mus — eine Abart deutscher Sprache entstanden, mit
der in weitschweifigster Weise unverständlich an»
einander vorbeigeredet wird. Ja man kann fast sagen,
daß umfangreiche Äste am Baum der deutschen Kunst
dieser Sprache ihr Dasein und ihre Blüte verdanken,

weil weiten
Kreisen der
Mut fehlt ein-
zugestehen,
daß sie das

nicht ver»
stehen. So ist
der Kampf»

platz, auf
dem über das
weitere Wer*
den entschied
den werden
soll, geflis-
sentlich unter
Nebel ge-
setzt. Und
über tönen-
den Reden
scheintdieTat

vergessen.
Schmetternde
Reklame und

ätzende Kritik können Sensation erwecken, aber keine
Leistungen entstehen lassen.

Die großzügigste Idee bleibt Schall und Rauch, so»
lange sie sich nur in Widerständen auswirkt und
nicht in dieTatumgesetzt und in den Rahmen
der W i rk 1 i ch ke i t eingefügt wird.

Auch klingt es heute fast wie ein Mißton, wenn man
liest, wie Ferdinand von Miller daran ging, ein deut-
sches Kunstgewerbe auf nationaler Grundlage wieder
aufzurichten, wie er ohne Nachahmung an die deutsche
Vergangenheit anknüpfte, wie Großes, Gewaltiges
unter seiner Hand sich formte. Jetzt fürchtet man sich
vor so kräftigen künstlerischen Äußerungen, wie ein
verdorbenerMagen nur mehr dünne ungewürzte Süpp»
chen verträgt, und freut sich an unserer,, Vergeistigung".
Trotz aller himmelstürmenden Gesten und Erläute»
rungen ist die Hoffnung gering, daß nur aus der wohl»
temperierten Befriedigung augenblicklicher Modelaunen
dereinst wieder einmal bleibende Werte entstehen.

Nicht ohne Grund wurde deshalb auch im kunstge»
werblichen Leben die Sehnsucht rege nach einem ganzen
Mann, der die Nebel teilt und die Geister bannt und
uns vorwärts führt und aufwärts — nach einem Mann,
wie Ferdinand von Miller einer war. nz.

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