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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 78.1928

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Hoffmann, Karl: Die St. Gabrielskirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7095#0022
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Kapitale im Innern / Modelliert von Bildhauer A. Giesin, München

mit auch der Zufammenklang der farbigen
Akkorde in den Darftellungen der Malereien
durch die vom Architekten zu ftarke Pfoften-
führung geftört und aufgehalten ift. In den
Presbyteriumsfenftern,wodiePfoftenteilung
leichter und zierlicher durchgeführt ift, ift fo-
fort auch die Wirkung der Glasmalereien eine
beffere.

Die projektierte weitere farbige Ausge-
ftaltung des Innern verfpricht eine prächtige
künftlerifche Wirkung hervorzurufen. So ift
vor allem in der Apfidenwölbung über dem
Feftaltare die Darftellung der Verkündigung
Maria in Mofaikausführung gedacht. Und
auf dem hochragenden Sternengewölbe des
Presbyteriums, das fich über dem Chore er-
hebt, ift geplant die »coeliftis urbs Jerufalem«,
d. h. die himmlifche Stadt Jerufalem im Bilde
zu veranfchaulichen. Nach Durchführung die-
fer Gewölbebemalung fteht zu erwarten, daß
auch die zur Zeit etwas profan anmutende
Durchbildung des Gewölbefternes eine fa-
kralere Umformung erhält.

Stilkritifche Würdigung: Der Stil des Got-
teshaufes St. Gabriel ift altchriftlich. Die For-
men und Linien des Kirchenbaues erinnern an
die Blütezeit der altchriftlichen Hof kunft Ita-
liens und ganz befonders an Ravenna. Da-

runter mifchen fich wieder Reminiszenzen an
die mittelalterlichen Kirchen, die vom Orden
der Franziskaner in Italien gebaut worden
find. Beide Perioden mit ihren Kunftwerken
hat Profeffor Otto Orlando Kurz eingehend
ftudiert, Ravenna mit feiner feierlichen Kir-
chenpracht einerfeits, die tiefernfte zurück-
haltende Formenfprache der Franziskaner-
kirchen Italiens andererfeits.Tief hat der Bau-
künftler in die reine feierlich klaffifche alt-
chriftliche Formenwelt Ravennas gefchaut
und hat das, was er gefchaut, frei und felb-
ftändig verwertet. In den altchriftlichen Säu-
len und den altchriftlichen Fenftern ihrer Ge-
ftaltung und Anordnung weht uns altchrift-
licher Geift entgegen. Das Wefen diefer echt
kirchlichen Stilperiode ift klar herausgear-
beitet und feftgehalten, obzwar überall zeit-
lebende Prägung und neuzeitliche Technik
ihr Recht geltend machen.

Es ift hochintereffant, daß in der gleichen
Stadt München durch König Ludwig I. in der
St. Bonifaziuskirche an der Karlftraße eine
hervorragende altchriftliche Bafilika erftan-
den ift. Ihre Anlage und ihr Schmuck gehen
auf St. Apollinare in classe bei Ravenna, auf
St. Paolo bei Rom und auf Mon Reale bei
Palermo zurück. Diefe drei Kirchen hat Bau-

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