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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 78.1928

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Hoffmann, Karl: Die St. Gabrielskirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7095#0023
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rat Ziebland im königlichen Auftrage vorher
genau ftudieren muffen. Welche Gegenfätze
nun zwifchen Zieblands Bafilika und der St.
Gabrielskirche! Erftere erweift fich fofort als
Kopie jener Originalkirchen, fie find gleich-
fam künftlich in ein anderes Erdreich ver-
pflanzt. Dabei gibt Tie aber nur die Erfchei-
nung rein äußerlich wieder, während fie mit
der kraftvollen Form und dem erhabenen
Geifte der alten italienifchenVorbilder wenig
gemeinfam hat. Vielmehr fpiegelt fich ein
ganz anderer Geilt, nämlich der Geift der
Romantik in dem Bauwerke des 19. Jahrhun-
derts wieder.Von folchen engen und gezwun-
genen Anlehnungen weiß St. Gabriel nichts.
Hier ift alles freier und felbftändiger; aber
gerade dadurch ift das echt kirchliche Wefen
einer durch Jahrhunderte zurückliegenden
Kunft gefchmacksficher und überlegen in un-
fere Zeit hereingetragen, die nach ihrer reli-
giöfen Einftellung fich der altchriftlichen Pe-
riode Ravennas auf der einen Seite,derKunft-
periode der auf den hl. Franziskus folgenden
Zeit auf der anderen Seite innerlich ver-
wandt fühlt.

Ravenna fpricht aus der Verbindung vom
Langhaus mitdemZentralbau.Scheintesdoch
beim Bau der St. Gabrielskirche, als ob in die
bafilikale Längenentwicklung von St. Apol-
linare nuova in Ravenna der zentrale Wun-
derbau von St.Vitale der gleichen Stadt ein-
gebaut wäre. Ravennatifch ift ferner die
Turmftellung bei St. Gabriel. Der Turm fteht
zwifchen Kirche und Klofter zur Belebung
der Faffade, gerade fo wie bei St. Apollinare
nuova. Im Innern verrät fich der Einfluß Ra-
vennas in der Konftruktion der Decken, wenn
auch nur mittelbar.Es treten zwar an dieStelle

Taufkapellengittet / Entwurf: Prof. 0. O.Kuvz
Ausführung: Sixtus Schmidt, München

des offenen Dachftuhles bei der Münchener
Kirche Flachdecken, aber das eigenartige
Hängen derDecken am Dachftuhle gibt doch
in verfchleierter Weife die Konftruktion des
altchriftlichen Dachwerkes wieder. Die Ster-
nenwölbung des Oktogon ift freilich weit
mehr künftlerifches Eigen des neuzeitlichen
Architekten. Die moderne Technik erfcheint
hier auf Koften des fonftigen einfühlfamen
Anfchluffes an die altxhriftliche Kunftwelt zu
fehr betont. Es mag der Eindruck fich beffern,
wenn einmal die projektierte figürliche Be-
malung des Gewölbes durchgeführt ift. Die
Feierftimmung von Ravennas Bafiliken lebt
 
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