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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 78.1928

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Hoffmann, Karl: Die St. Gabrielskirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7095#0024
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wieder auf in den Rotmarmorfäulen des Lang-
haufes. Arkaden (teilen fich zwifchen Haupt-
und Seitenfchiff und unter die Mufik- und
Orgelempore, fo daß nach drei Seiten hin die
Rubrik der Säulen in der erhabenen Sprache
eines Periftils zu uns fpricht. Die Säulen felbft
find wie in Ravenna fehr monumental ge-
halten, entwachfen ohne Bafis dem Boden,
zeigen feingefchwellte Schäfte und führen
über dem römifchen Volutenkapitäl den
Würfelkämpfer vor. Endlich geht die Art der
Erhöhung des Chores, der die Anlage einer
Krypta vermuten läßt, abermals auf Ravenna
zurück. Nur ift bei St. Gabriel den Bedürf-
niffen der modernen Seelforge entfprechend
der Unterraum für Vereinszwecke gebaut.
Wie in den ravennatifchen Bafiliken befteht
der Hochaltar lediglich aus einer Menfa und
verzichtet auf Retable und Säulenbaldachin.
Er ift als feierlicher Opfertifch gedacht, der in
die Majeftät des Raumes fich von felbft ein-
fügt und der durch die beiden Ambonen als
Feftaltar zur Abhaltung großer feierlicher
Gottesdienfte im vollen Glänze der Liturgie
gekennzeichnet ift. Ravennatifchem Geifte
gemäß ift in der Raumausfdimückung monu-
mentale Plaftik ausgefchaltet. An ihrer Stelle
wird für die Zukunft monumentale Malerei
den Raum beleben.

Daneben herrfcht franziskanifcher Geift.
Er kommt äußerlich vor allem dadurch zum
Ausdruck, daß neben der in majeftätifcher
Horizontale hingelagerten bafiliken Anlage
der altchriftlichen Zeit auch ein Streben nach
Vertikalrichtung in Art der frühgotifchen
Franziskanerkirdien am Bau von St. Gabriel
fich offenbart. Wie eine frifche Welle flutete
in das Zeitalter des großen Heiligen ein neuer
Stil mit neuen Ideen und Formen, der zum
er ften Male den Einfluß des Orients mit einem
Schlage brach und aus dem Kunftwillen des

Abendlandes erwuchs — die Gotik. Die St.
Gabrielskirche als echte Franziskuskirche
nimmt daran Anteil, zunächft in der Turm-
löfung. Der Turm fteigt ernft und frei in be-
fchwingter Straffheit und in edlem Wuchfe
empor. Er ift kantig und hat nicht die weiche
Rundung wie z. B. der Turm bei St. Apollinare
nuovo in Ravenna. Unter Verzicht jeglichen
Fenfterfchmuckes in reichen Bogenftellungen
und fonftiger Gliederung im Gegenfatze zu
Ravenna ragt er in die Höhe wie ein Finger,
der von der Erde zum Himmel weift. Fran-
ziskanifche Art verrät ferner die Wahl von
Hochfenftern in ihren edlen hohen Formen,
ein befonderes Charakteriftikum der Franzis-
kanerkirchen Italiens, das fich dann auch auf
die hohen Chöre mit ihren fchlanken Hoch-
fenftern in unferen deutfchen Minoritenkir-
chen übertragen hat. Im Innern tritt uns in
den Holzdecken des Langhaufes die franzis-
kanifche Einfachheit entgegen, infoferne als
diefe Decken keine prunkenden Kaffetten
aufweifen, fondern in ernfter Schlichtheit fich
hinziehen. Die Bedeutung von St.Gabriel als
franziskanifche Volkskirche verlangt, daß die
hl. Kommunion eine ganz befondere Rolle
fpielen foll. Aus diefem Grunde ift der Sakra-
mentsaltar auch örtlich in nähere Berührung
zu den Gläubigen gebracht und unter das
Sternengewölbe an der gleichen Stelle als
Pfarraltar aufgeftellt, wo im Mittelalter der
Laien- oder Kreuzaltar ftand. Nach Franzis-
kusart ift fchliefilich ein Doppeltor an der
Nordfeite, an der Aeußeren Prinzregenten-
ftraße, vorgefehen. Das Doppeltor ift vom
hl. Franziskus feinerzeit in den Kirchenbau
eingeführt worden. Bei diefem Franziskus-
portal foll aus dem Steinpfeiler in der Mitte
die Figur des hl. Franziskus herausgearbeitet
werden in der Weife, daß er mit der rechten
Hand nach oben weift, wo in die Mauer vier

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