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Kunst und Handwerk
A.D. 1851

T

brauche geschaffen werden, stellt, obwohl es in
erster Linie für die leiblichen Bedürfnisse der
Menschheit zu sorgen hat, doch die geistige und
fachliche Voraussetzung für die Entwicklung der
Kunst dar.

▲ Das bleibend Gemeinsame an Handwerk und
Kunst ist zunächst, daß sowohl Handwerker wie
Künstler etwas Ganzes hervorbringen. Beim Hand-
werk ist überdies vor allem deshalb die Beziehung
zur Kunst so augenfällig, weil das Handwerk sich
mit seinen Erzeugnissen an die Einzelpersönlichkeit
wendet und weil im Handwerk, das von Natur aus
das ganze Werkstück ungeteilt herzustellen hat,
die Persönlichkeit, die Individualität eine ganz
besondere Rolle spielt und eine ganz besondere
Pflege findet.

▲ Individualität und Persönlichkeit sind aberwieder
die stärksten Voraussetzungen für die Kunst, denn
Kunst ist die Ausprägung des rein Persönlichen in
Werte, die sich an Gemüt und Geist wenden. Es
stehen deshalb die beiden Begriffe Handwerk und
Kunst im Verhältnis wie Wurzel und Pflanze.

▲ Die innige Verbundenheit zwischen Handwerk
und Kultur ist im Laufe der Geschichte der zivili-
sierten Völker überall wahrzunehmen, und je höher
die handwerkliche Fertigkeit bei den einzelnen Völ-
kern gestiegen ist, desto mehr waren aber auch die
Voraussetzungen für die Entwicklung der Kultur
gegeben. Und so ist die Verbundenheit zwischen
Handwerk, Kunst und Kultur geschichtlich und ver-
standesmäßig nachzuweisen.

▲ In Bayern, namentlich beim oberbayerischen
Stamme, der im Handwerk so Glänzendes geleistet
hat, war und ist hiedurch auch für die Kunst der
beste Nährboden geschaffen. Das Handwerk wächst
hier über sich selbst hinaus in die Kunst hinein.

A Wer also für das Handwerk sorgt in seinem Stre-
ben nach Eigenart, nach Widerspiegelung derPer-
sönlichkeit,der sorgt damit gleichzeitig fördernd für
die Grundlagen einer wirklichen Kunst und für
eine gedeihliche Kunstentwicklung.

• Porcelain Figure (21'/;" high), "Smoker wilh Tobacco Jar"
Design: Professor Joseph Wackerle, Munich
Executed: The Royal Nymphenburg Porcelain Factory

^ Porzellanfigur (55cm hoch), „Raucher mit Tabakstopf"
Entwurf: Professor Joseph Wackerle, München
Ausführung: Staatliche Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
 
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