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Kunst und Handwerk am Oberrhein: Jahrbuch des Badischen Kunstgewerbevereins und des Kunstgewerbevereins Pforzheim — 1.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.12901#0019
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ALTES KUNSTGUT IN BADEN

Wer unjere Sammlungen clurch|chreitet, in
Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, und die Orts-
mu(een in den kleineren Plätzen, findet auf allen
Gebieten Gegenftände werkkün[tleri|dier Erzeu-
gung von bodenftändiger Herkunft. Sie find nicht
nur wegen ihres volkskundlichen und niftorifchen
Wertes beaditlidi, |ondern viel mehr noch wegen
ihrer künßlerifchenVollendung. Truhen, Schränke,
Gitter, Ei|en|dilöffer, Kannen, Krüge, Stickereien,
Flechtwerk und vielerlei anderes zeugen für den
Kunftfinn der Vorfahren, der alle Gegenwände
des täglichen Lebens durchdrang. Eine Schei-
dung in hohe Kunft und Kun|thandwerk ift an-
gepchts der Vollkommenheit einzelner Stücke
eine willkürliche Konfrruktion. DieTradition über-
lieferte Formen und Tediniken von Gefdiledit zu
Gefchlecht, das fie den Wandlungen des Zeit-
gefdimacks, der Entwicklung der Stile anpapte.
Die Einheitlidikeit der Kunftübung in früheren
jahrhunderten verbürgte für alle Erzeugni||e künft-
lerifcher Tätigkeit die gleidie innere An|chauung
und Hingabe. Der Möndi, der jetzt ein Budi mit
Miniaturen |dimüd<te, beftieg vielleidit bald da-
rauf das Gerüft, um die Wände der Kirdie mit
Fresken zu bemalen, bei denen Haltung, Figur,
. Gewandung und Umwelt im gropen wie im kleinen
diefelbe Formen|pradie redeten. Oder er half bei
der Herftellung eines filbernen Reliquien|direins,
eines Vortragskreuzes, eines Mepgewanaes.

Die klöfterlidie Kunjftätigkeit auf der Reidienau
übernahm in ihren FormenfchatzÄnregungen altrö-
mifchei Kunft und Handwerkel ei und verband (iemit
alemannifchemVolksgefchmackin der Behandlung
eines (tilifierten Tier- und Ppanzenornaments, wie
wir es auf altgermanifchen Fibeln, Gürtelfdmallen,
Schildbuckeln ufw. finden. Einheimifdie und fremde
Kunjt \ erjdimolz in der karolingifchen Renaiffance.

Zu hoher Blüte gediehen auf heimi|chem Boden
die einzelnen Zweige kunfthandwerklidier Be-
tätigung. Wenn wir z. B. einen alten Codex in
die Hand nehmen, entzückt uns die Qualität des
Pergaments, der zweckmäßig, vollendet |auber
und gefchmackspcher verzierte Einband, die
Gliederung der Sdirift, die koftbare Miniatur-
malerei und das kunftvolle Befdiläge des Ded<els,
die zufammen eine Einheit bilden. Audi als das
gedruckte Buch an die Stelle der Hand|dirift trat,
als der Holzfchnitt den gemalten Buchfdimuck ab-
löse, blieb dieTradition zunädif? demVorbild treu.
Und |o gefdiah es audi auf allen anderen Gebieten.

Die Architektur war die oberfte Herrin in der
bildenden Kunft und beftimmte die Einzelheiten
nicht nur am Bauwerk, (ondern audi in der Aus-
(rattung und im zahlreidien Gerät. Die Formen
des Bauwe|ens färbten z. B. ab auf die Geftaltung
der Reliquiare, wofür Reidienau, Säckingen u|w.
Bei|piele liefern; oder auf die edle Geftaltung der
Monftranzen, wie die formvollendeten Gebilde
einer reifen Silbeijdimiedekunf? in Tiefenbronn,
Villingen, Uberlingen, Walldürn ufw. beweifen.
Die Spradie des gotifdien Stils wirkte z. T. nodi
weiter, als fdion Barock und Rokoko die konduk-
tive Ge|taltung auf lüften, wie die Monftranzen in
Engen und Lauda dartun. Die|e gottesdienft-
lichen Geräte - es |eien nodi Keldie erwähnt,
wie der romani|di gejfaltete jog. Fürftenbergi|die
Kelch aus dem 1 3. Jahrhundert in Villingen, oder
die Vortragskreuze, wie das emailge|dimückte in
Villingen, das bejonders wertvolle alte filber-
getriebene von St.Trudpert und das ausderSpat-
renaiffance auf der Reidienau, oder das kupferne
Weil iraudifajjäusdem 1 2.Jahrhundert inGündel-
wangen bei Waldshut - (landen in lebhafter
Wech|elwirkung mit der Kun|tübung ihrer Umwelt.

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