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Kunst und Handwerk am Oberrhein: Jahrbuch des Badischen Kunstgewerbevereins und des Kunstgewerbevereins Pforzheim — 1.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.12901#0021
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auf den Gebieten, die man heute dem Kun[t-
gewerbe zuweift, fdiöne und koftbare Gebilde her-
vorgebracht haben. Dahinter (fand eine Gefin-
nung, die den Begriff Kun(r noch als einen ein-
heitlichen Wert betrachtete und nur den mit dem
Meißertitel ehrte, der deffen wahrhaft würdig war.
DerZu|ammenhang zwi|chen alltäglidiem Leben
und künjtlerijcher Veredelung war nidit zerrijfen,
wenn auch die feierlidien Gegenwände des Kultus
in er(rer Linie dieser Veredelung teilhaftig wurden.

Aber gerade (ie gehörten ja nidit dem einzelnen,
|ondern der Gejamtheit, die alfo gewiffermapen
[ich felbft und ihre hochgemuten Stunden darin
künftlerifch adelte.

Und fo mag aus die|en Vorbildern, ob (ie nun
mu|eal beherbergt werden oder, was beffer ift,
noch im lebendigen Be|itz find, ein befruditender
Strom von Anregungen ausgehen, der unfer Heute
mit der Vergangenheit ohne hi(tori|che Spielerei
verbindet. W. E. Oeftering.

ÜBER ARCHITEKTUR LIND DEKORATIVE KLINSTE

Es gab Jahre, die noch nidit lange her find, wo
man an den Untergang der Kunft glauben konnte.
Als man zur Ablösung des Naturalismus dazu
übergegangen war, in der Malerei feelifdie Ex-
plofioneri analphabetifch niederzufchreiben, Ex-
pref|ionismus zu kultivieren, in Ek(ta|en zu lallen,
wie es Taubgeborene tun muffen, da war das
Postulat der Kunft, alles Formgewordene Geiffige,
verdrängt durch ßnnesfremde Tolpatfchereien.
Einzig die Plaftik hatte ziemlich unverwirrt die
Wegrichtung zu ihren Zielen bewahrt; das heifit:
der Stein, clieMaffe, die Form gab nicht nach, die
drei Dimenfionen, greifbar, faßlich, rundherum
vorhanden, ließen keinen abfrrakten Gedanken-
fpuk zu, der nidit vernunftmäpigc Geftalt trug.
Nichts konnte durchdringen, was nicht tatfächlich
mit den menfdilidien Sinnen ohne tiefgründige
Explikationen verßehbar war.

Diefer Lichtfeite gegenüber die Sdiattenfeite:
die Plafrik war fozufagen klein(tädti|di geblieben.
Sie hörte nicht den Rhythmus unferer Zeit, unferer
Technik, unferer Wirtfchaftsevolutionen, fie fah
kaum die neuen Menfchen, wie fie fachlich, un-
romantifdi, aber klar, grop, heroi|ch bisweilen, in
den neuen Stätten der Arbeit heranwuchfen. Von
all dem gab uns die Plafrik hcrzlidi wenig; immer

wieder mupten wir auf den Gängen durch die
Ateliers und Ausheilungen jene zahllofen kauern-
den, liegenden, hockenden oder fchreitenden Akt-
figuren hinnehmen, und den Künfrler dazu, der
mit der leer faffenden Hand eine rundende Be-
wegung in die Luft fchrieb und glaubte, einem
Gefetz der Kontrafte von Wölbungen und Tiefen,
von Schatten und Lichtern vertrauend, zeitlos
Gültiges gefchaffen zu haben.

Wohl |ind in den letzten Jahren die Bildhauer
nicht feiten, denen es gelingt, eine menfchlidie
Figur organifdi aufzubauen, fie des Zufälligen zu
entkleiden, in großer Form das Elementare eines
Seins oder einer Bewegung zu geben, vom blopen
Naturalismus weg ideenhaft zu empfinden und
zu geffalten, aber mit wenigen Ausnahmen tragen
clicfe Künfflcr kein anderes Verdienft als auch die-
jenigen aus dem Reiche der Malerei, clieTradition
und nur diefe gelten la(fen wollen. Sie alle find zwar
notwendige Verwalter eines verwendbaren Erbes,
aber der größere Künfrler, der Künfrler unferer Zeit,
der kommen wird, wird (ie nidit höher denn als treue
Diener zu bewerten vermögen, die ihm ein Erbe be-
hüteten, mit dem neue Reichtümer zu fdiaffen find.

Wenn wir dem Problem auf den Grund gehen,
warum un|ere Plaf?ik trotz der guten Haltung,

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