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Kunst und Handwerk am Oberrhein: Jahrbuch des Badischen Kunstgewerbevereins und des Kunstgewerbevereins Pforzheim — 1.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.12901#0022
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die (ie die letzten Jahre einnahm, doch nicht den
Eindruck machen kann, als käme [ie derein [t für
kunffgefchichtlicheWertung überhaupt in Betracht,
fo p'nden wir das Grundübel darin, dap [ie keinerlei
blutbildende Keime barg; weder nationale Ge-
p'nnung, noch religiöfc Forderung, nodi gebiete-
rifcher Zwang einer bcjtimmendcn Architektur
führten (ie irgendwelchen gropen Aufgaben ent-
gegen.

Hierfür kommt langfam, wenn nicht alles trügt,
CMC Hei lung. Sie kommt nicht von transzenden-
talen Begriffen, fie kommt von der Architektur
her. Anfänglich [orgfältig raffend, allmählich mit
ficherem Geffaltungsimpuls arbeitend, pndet die
abprakte Baukunft ihre eigene Schrift, mit der
pe unfere heutigen Zeitgedanken klar, bewupt,
Zierereien abweifend, niederfchreibt.

Und hier pndet die Plaftik ihre neue Aufgabe,
Schwefterkunft wieder zu werden, fchmückend zu-
näch[t: als dekorative Plaftik. Allerdings nicht bei
jenen zahllofen Wohnhaustypen, wie fie heute
wieder allenthalben, fchwarzaufweip, das Zeichen-
atelier gefchickter Architekten und noch gefdiid<-
terer Gefdiäftsleute verlaffen, wo überall einige
kleine plaftifche Brofamen verftreut find, ohne kon-
ftruktiven Wert, kaum von kontrapunktifchem Reiz,
im wefentlichen nur als wirtfehaplicher Broterwerb
für die notleidenden Steinmetzen entfchuldbar.
Ein ganz anderes, ftolzeres, gefunderes Leben
fpricht aus dem Rhythmus unferer parken Induftrie-
häu|er, Banken, Bahnhöfe, Speicherbauten, Kraft-
anlagen. Dort hinzuhören, dort fich einzufühlen
wird auch des Bildhauers nächfte Aufgabe fein.
Hier die Laute zu vernehmen, aus denen fich |eine
Sprache aufbauen mup, wenn fie nicht wefenlos
bleiben will, wird feine innere Bildungspflidit fein;
es wird ihm - offen gefagt - beffer fein, Zeit-
genoffe zu werden, als fich fein Künplerprädikat
durch ferienweife Italienreifen zu reklamieren.

Es mup uns kleinlich erfdneinen, überall ver-
zettelt kleine Kopproben tüchtiger Stukkateure zu
finden, wo ein Plätzchen frei blieb, das dem
Architekten nicht ra|ch genug mit feinen eigenen
Mitteln clerAuf-und Unterteilung erfüllbarerfchien.
Denn [o aufgefapt wird die dekorative Plaftik
eben nur ein dekorierendes Handwerk bleiben.
Gerade in un|ererZeit rächt es fich am bitterften,
dap cliejc Schwefterkünfte in den Akademien und
Hoch|chulen auseinander geriffen wurden. Heute,
wo die Auf gaben freier Rundplaftik zu den ganz
feltenen Ausnahmen geworden find, wo die Plaftik
tat|ädilich nur nodi dekorativ angewandt wird, wo
pe alfo in Gröpe und Proportionen fich nach ge-
gebenen Raum- und Flädienelementen richten
mup, gerade heute ip das tiefe Eindringen in
beide Künfte dem Architekten wie dem Bildhauer
gleich notwendige Beel ingung. Zum Segen für
beide. Nur fo wird der Baukünffler feine kubi|chen
Schöpfungen plafrifch und rhythmifch in Tiefen
und Höhen, organi|ch in den Gelenken er|innen
können; und nur fo wird der Bildhauer, wie in
guten Kulturepodien immer, aus dem maffigen
Baupein heraus arbeiten, Höhepunkte geben,
Gliederungen fchmücken, richtig akzentuieren, und
durch,Auslauf des Kubi|dien in das Freiplapifche
jenes Wunderbare |chaffen,clas wirKunff nennen:
aus dem Erffarrten herausgleiten in die Lup mit
dem freien Spiel individueller Formen.

Daf3 für die dekorative Malerei, aus der fich
die Entwicklung der plafti|dien Reliefkunp fehr
leicht verftehen läpt,die|elben Lebensbedingungen
gelten, liegt klar zutage; fie iff tot, wenn in ihr
nicht alle die Elemente der Richtung, der Glie-
derung, derMaf|enverteilung wieder fprechen, die
der Baukünpler dem Raum zum Leben mit-
gegeben hat.

Es ift nicht ohne gewiffeTragik, dap wertvolle
Aufgaben (olcher Art in den letzten Jahren meifr nur

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