Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunde — 12.1944

DOI article:
Döhler, Margarete: Altes, bodenständiges Handwerk in Niedersachsen: Hiller Bauernstühle
Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunde1944/0070

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mtes, bodenständiges Handwerk in Niedersachsen:
Hiller Vauernstühle
Von Margrets Döhler, Minden i. W.
Unsere Vorfahren, die Germanen, haben sich sehr zweckmäßigen, hand-
werklich kunstgerechten Hausrates bedient. Moor- und Gräberfunde haben
uns darüber sichere Kenntnis vermittelt. In der Bearbeitung des
Holzes sind sie schon früh besonders erfahren und geschickt gewesen.
Bett, Tisch, Bord, Stuhl und Hocker waren auch ihnen bekannt und zeigen
in ihren Grundzügen große Ähnlichkeit mit unseren heutigen Hausgeräten.
Die mit Binsen- oder Strohsitz versehenen Vauernstühle und Hocker,
wie man sie in unseren Tagen noch vielerorts, sogar bis nach Spanien hin
findet, haben große Ähnlichkeit mit alten germanischen Vorbildern. Es ist
erfreulich, daß sie sich neben dem städtischen Fabrikstuhl immer noch durch-
setzen, sich sogar wieder neuen Boden erobern. (Wir wollen hiermit aller-
dings keineswegs dem fabrikmäßig erzeugten „echten Worpsweder" das
Wort reden). Im Kreise Minden gibt es noch manchen Stuhlmann, der
sein Dorf im weiten Umkreis mit solch althergebrachten gediegenen Sitz-
gelegenheiten versorgt
In Hille bei Minden z. B. wird eine Stuhlwerkstatt betrieben, die
ganz auf alter Überlieferung fußt, die sich vom Urahn auf den heutigen Besitzer
vererbt hat und deren solide, gute Erzeugnisse weit in die Gegend hinaus-
wandern, bis nach Aachen, Berlin, Holstein sogar. Manches HI.-Heim, manches
Gemeinschaftshaus in Westfalen hat Dutzende von Stühlen oder Hockern von.
Fritz Dröge in Hille bezogen. Diese malerialgerecht verarbeitete Ware gibt
einem Raum eine ganz bestimmte, ungezierte, schlichte Note, so daß es beinah
unmöglich erscheint, daß irgendein oberflächlicher Kitsch oder modischer Plunder
neben ihr das Feld behauptet. So wirken diese dörflichen Stühle in gewisser
Weise erziehend aus den Geschmack ein. Standfest, solide und doch dem Auge
wohlgefällig, erinnern sie an die Handwerkskunst unserer Altvorderen.
Fritz Dröge ist sowohl Bauer wie Stuhlmacher. Er selbst
führt noch den Pflug durchs Land und die Sense über sein Wiesengelände
im Hiller Moor. An anderen Tagen wieder sausen die Treibriemen an
Drehbank und Bohrmaschine, die vielen Aufträge und Wünsche der Be-
steller zu befriedigen. Sein junger Sohn hilft ihm dabei. Der alte Vater
sieht in Hof und Stall nach dem Rechten und flicht als bester Kenner und
Sachverständiger die Binsen- oder Rohrsitze. Jahrzehntelang war
auch er in der Werkstatt der Meister.
1849 hat Fritz Dröges Urgroßvater Kristian die heute bestehende Arbeits-
stätte erbaut. Er war hauptsächlich Spinnraddrechsler. Sein Sohn ver-
legte sich mehr aus das Stühle-machen. B-n ihm, dem Großvater des heutigen
Meisters, stammt der Entwurf der heute noch verfertigten Stühle. Der im Dorfe von
altersher übliche Bauern st uhl ergab die Grundform dazu. Die Nachfrage
nach Spinnrädern ließ nach, Stühle wurden mehr und mehr gefragt, ^n der

62
 
Annotationen