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2r-13.

Kunst-Platt.

Dienstag, den 12. Februar 1839.

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Nekrolog.

Hcrzogiir Marie von Württemberg,
gcliornc Jirin^cfftn tum ©dciins.

Ganz Europa hat den innigsten Anthcil an dem früh-
zeitigen Tode dieser jungen, liebenswürdigen und talent-
vollen Prinzessin genommen, und die Tagesblätter sind
voll von wehmüthigen Erinnerungen an ihre Tugenden
und Fähigkeiten. Der Ruhm ihres künstlerischen Talents
war schon verbreitet, ehe sie nach Deutschland kam, doch
fehlte darüber eine bestimmte Kunde, und außer der^ver-
kleinerten Nachahmung einer Statue von ihrer Hand,
welche zur Oeffentlichkeit gelangte, war nur von ihr be-
kannt geworden, daß sie sich eifrig mit der Kunst beschäf-
tige und vorzugsweise die Sculptur übe, ein Phänomen
für unsre Zeit, welche, obgleich ans Seltsame gewöhnt,
boch eiwas so Besonderes mit neugieriger Theilnahme ins
Auge faßte^ Wir entnehmen die folgenden Notizen einigen
französischen Blättern.

Prinzessin Marie war am ir. April 1815 in Sicilien
geboren, wo damals die jetzige königl. Familie im Ver-
borgenen lebte. Bis zum 17. Okt. 1857, wo sie sich mit
dem Herzog Alerander von Württemberg vermählte, ver-
floß ihr Leben ganz unter der Obhut und an der Seite
ihrer Mutter, der Königin, welche ihr eine treffliche Er-
zieherin, Frau von Mailet, gegeben hatte, und überdies
selbst die größte Sorgfalt auf ihre körperliche Entwickelung
wie auf die Ausbildung ihrer ausgezeichneten Gemüths-
rind Geistesanlagen verwandte. Als eine zarte auslän-
dische Pflanze auf den französischen Boden versezt, accli-
warisirte sie sich bald und wandte sich, voll patriotischen
Gefühls, mit Enthusiasmus zur Rückerinnerung an die
glorreiche Zeit des französischen Kaiserreichs. In ihrer
«rflen Lectüre zog sie die Erzählungen von Napoleons
Feldzügen allem andern vor, und eine Büste Napoleons
schmückte beständig ihr Studirzimmer. Bald entwickelte
sich in ihr der entschiedene Sinn für die bildende Kunst,

und das Talent, ihre Gedanken und Gefühle in flüchtig
hingcworfenen Zeichnungen auszusprechen. Der sorgfältige
wissenschaftliche und religiöse Unterricht, den sie empfing,
trug kräftig dazu bei, ihrer Phantasie jene Reinheit und
j jenen kühnen Schwung zu erhalten, der ihre künstlerische
j Erhebung so sehr beförderte. Sie liebte vorzugsweise die
; nordische Poesie; Goethe, Schiller, Walter Scott, Shake-
speare sprachen unter allen Dichtern ihre Seele am mei-
sten au; als Mädchen von 15 Jahren verstand sie die
tiefen Gedanken und den erhabenen Flug dieser Genien
1 und fühlte sich glücklich, die Eindrücke, welche ihre Schöpfun-
gen auf sie gemacht, in ihren bildlichen Entwürfen wie-
derzugcben. So war ihr tiefes Gefühl im eigentlichen
' Sinn der Quell ihres Talents und der Enthusiasmus ihr
erster Lehrer. Ehe sie noch zeichnen konnte, componirte
sie Scencn aus Ballade» und historischen Erzählungen und
belebte sie durch Farben. Ein ausgezeichneter Maler,
Ary Scheffer, wurde ihr als Lehrer im Zeichnen gegeben;
er war verständig genug, diese Inspiration nicht zu stören,
sondern leitete nur die noch zaghafte unerfahrene Hand
und ließ dabei die Einbildungskraft in ihrer ganzen Le-
bendigkeit sich entwickeln. So gelang es ihm, zugleich den
Ernst und die Tiefe ihres Gemüths und die Schnellig-
keit, womit ihr Talent seine Eingebungen zur Erscheinung
brachte, zu bewahren und auszubilden. Was man in
allen ihren Produktionen bemerkt, ist eine mit Begeiste-
rung verbundene Würde, eine kräftige und zusammenge-
haltene Originalität, tiefe Empfindung der Stimmungen
und Leidenschaften der Seele, ein lebendiges Gefühl des
Idealen, welches die Form meistert und sich unterwirst,
ohne sie zu verunstalten, und etwas Uebernatürliches,
Keusches und Göttliches, welches das Sterbliche und Ver-
gängliche durchdringt. Ein Lehrer, welcher weniger Ehr-
furcht vor der Eigenthümlichkeit ihrer Richtung gehabt
hätte, würde ihren Werken mehr akademische Correctheit,
Festigkeit und Sicherheit verliehen, aber wohl auch der
Würde ihrer Erscheinung, der Erhabenheit ihres Inhalts
und der Tiefe ihres Ausdrucks nur Schaden gebracht
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