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158

fürchten hat, das Auge durch die Zusammenstellung von
Tönen zu beleidigen, die sich von selbst mit einander
vermählen, und wovon sich einer durch den andern geltend
macht. Gerade dieses sreimüthige Verfahren und der
feste Farbenauftrag verleiht den Gemälden des Velasquez
ihren Zauber, und indem er nicht vom Ernsten und
Soliden abging, war er dock eben so anmnthig, als die
koketten und manicrirtcn Koloristen.

Allein dabei blieb Velasquez in seinen Studien nicht
stehen. Da-s Malen von Insichten nach Art der Nieder-
länder lehrte ihm die Phänomene der Beleuchtung. Da
er in Folge der allzugroßcn Strenge und Genauigkeit bei
Nachahmung der Form sich einen etwas harten und
trockenen Styl angeeignet hatte, so bekehrte er sich davon,
als er cinsah, daß die Entfernung die Formen und Um-
risse der Gegenstände unbestimmt mache und verändere.
Von nun an wurde seine Art zu malen leichter, freier
und geistreicher; er ahmte die Natur nicht mehr narb,
wie sie wirklich ist, sondern wie sie zu seyu scheint, und
erreichte so durch allmähliges Heraufbilden die höchste
Stufe der Vollendung und Naturwahrheit. Denn in
seiner lezten Manier, bemerkt Mengs, scheint seine Hand
gar keinen Antheil an der Ausführung seiner Werke zu
haben, sondern Alles lediglich durch seinen Willen her-
vorgezanbert zu seyu.

Wie aus Obigem erhellt, erwarb sich Velasquez durch
sein eigenes Genie und seine eigenen Kräfte einen cigen-
thümlichen Styl. Er hatte jedoch, auf den Rath von
Rubens, Italien bereiset und in Rom die Antiken und
Raphael, in Venedig Paul Veronese und Tintoretto
kopirt; allein cs ging ihm wie dem niederländischen Mei-
ster; er konnte weder seinen Charakter dadurch ändern,
noch wollte er seine urkräftige Originalität abdanken. Es
ist nur den potenzirten Menschen gegeben, dem Einfluß
fremder Länder und Schulen nicht zu erliegen; wenn cs
ihnen begegnet, sich nach ausländischen Schönheiten um-
zuthun und die Erzeugnisse anderer Genies auszujuchen,
so bestärkt sie das nur in der Meinung von ihrem per-
sönlichen Werthe; sie kehren in sich selbst zurück, und ihre
ehemaligen charakteristischen Züge scheinen nur um so ent-
schiedener hervvrzutreten. Velasquez kam von seinen
Reisen in Italien als echter Spanier zurück; das Stu-
dium der Antike hatte seinen Styl nicht bis zum Ideal
gesteigert; seine Besiimmung war nun einmal, ausschließ-
lich im Bereich der Wirklichkeit zu herrschen. Wenn cs
ihm an Flügeln fehlte, um sich über die Wolken empor-
ziischwingen und den übermenschlichen Ausdruck dieser
Regionen zu vergegenwärtigen, so war er vielleicht der
größte von allen, deren Füße je die Erde berührten.
Seme Gemälde wurden erhaben durch Ausdruck und
Charakter und bekamen oft eine hochpoetische Farbe, wenn
er Nichts als wahr und naturgetreu seyn wollte. Velasquez

legte in das einfachste Porträt mehr Poesie und Schwung,
als viele andere Historienmaler in ihre symbolischen Com-
positionen hiueinlegen.

Velasquez hatte allerdings die schönsten Modelle,
welche sich nur ein Künstler wünschen kann; ihm saß
nicht die schwerfällige, prosaische, dicke und fleischige Natur
der holländischen Ateliers, sondern die spanische Natur
des Madrider Hofes, welche damals von Handlung, Leben
und Leidenschaft strotzte und von Muth, Andacht und
Stolz übcrsprudcltc. Wenn er eine jener ritterlichen
Figuren der Zeit zu malen batte, deren Haltung eben so
flol; war als die seinige, wurden seine Pinsclstriche un-
willkürlich kecker, männlicher und bravonrartigcr; das ihm
gegenüberstehende Modell vergrößerte sich in seinen Augen,
und das Porträt gestaltete sich unter seinen Händen zu
einem prachtvollen Historiengemälde. Eine schlagende Probe
davon ist das Porträt des Herzogs Grafen von Olivarej,
der ein großer Gönner des Velasquez war. Der Künstler
malte seinen Freund und Beschützer in einer mit Gold
damascirtcn Rüstung, mit wallendem Fcderbusch, den
Kommandostab in der Hand und auf einem andalusischcu
Pferde reitend. Der Held ist in dem Augenblick abge-
bildet, wo er sich in's Schlachtgetümmel wirft; sein Gesicht
scheint über und über von der Last des Kampfes und der
Waffen in Schweiß gebadet; i», Hintergründe sieht man,
wie die beiden Armeen aufeinander stoßen. Die Bewe-
gung und Schönheit des Pferdes, daö Feuer und die
Wahrheit der Handlung sind auf diesem Bilde unver-
gleichlich ausgedrückt. Palomino Velasco, welcher das
Leben und die Werke der spanischen Maler so gleichgültig
und kaltblütig beschreibt, daß sein Werk nichts als ein
dürres Vcrzeichniß ist, kann nicht umhin, sich einen Augen-
blick zu vergessen, wo er auf dieses Bild zu reden kommt:
„man sieht,» meint er, „den Staub sich verdichten und
den Rauch emporsteigen; man macht das Handgemenge
mit; man hört die Schwerdter klirren und die Kürasse
erdröhnen.»

Mit vollem Recht stellt man Velasquez neben Tizian
und Van Dyk. Jedenfalls darf man ihn nicht nach den
Porträten beurtheilen, welche das neue spanische Mu-
seum des Louvre bcsizt, und worunter sich das Porträt
des cbenerwähnten Herzogs von Olivare; befindet, wo er
in einer ruhigeren Haltung und in Hoftracht abgebildet
ist. Von den tg Bildern, welche der.Katalog dem Vc-
lasguez zuschreibt, und die im dritten Saale hängen, sind
die meisten unecht. Das Porträt Philipps IV. (Nr. 292),
welches zu dem Porträt seines Premierministers (Nr. 291)
den Pendant bildet, ist weniger schon und viel weniger
authentisch. Die Beine sind dergestalt verzeichnet, daß
cs eine wahre Sünde ist, sie dem strengen, gewissenhaften
Velasquez auf.ubürden. Ich habe zu Brüssel in der
Bildergalerie des Prinzen von Oranien dieselben Porträts
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