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2l- 60.

Kunst

Donnerstag, den 25. Juli 1839.

Kunstgeschichte.

-1) La Madonna detta delT Ulivo presso

Prato disegnata e descritta. Prato 1838.

Jener Ausdruck, jede Straße von Florenz se» eine
Welt für die Kunst, kann ohne Uebcrtreibung füglich
M,f ganz Toskana ausgedehnt werden. Es sind hier
«icht allein die Kirchen und öffentlichen Gebäude der
einzelnen Städte, Flecken und Dörfer, welche uns Mo-
numente von Werth überliefert haben; die einsam gele-
genen Tabernakel, die zerstreuten Villen und die große
Anzahl von Familienkapellen bergen noch immer eine
Menge der schönsten, für die Kunstgeschichte bedeutenden
Arbeiten. Man hat in der lezten Zeit auch in Italien I
angefangen, sich außerhalb der Ringmauern jedes Orts
uach Knnstsachen nmzuthun, und dadurch manches früher
gar nicht oder wenig beachtete Werk einem größeren Pu-
blikum zugänglich gemacht. Es bedarf aber, um auf
solche verborgenere Schätze aufmerk am zu werden, nicht
weniger für die Einheimischen, als für die Fremden eines
Fingerzeigs; und als solcher ist die vorliegende Schrift
des Domherrn Baldanzi in Prato anzusehen, dem wir
schon ähnliche Beschreibungen von den Werken des Fra
Filippo Lippi und von der Kapelle der Cinrola verdanken.

Obwohl Prato von kunstliebenden Reisenden besucht
zu werden pflegt, so ist doch jene Kapelle oder vielmehr
jenes Tabernakel unbemerkt geblieben, welches, kaum eine
halbe Miglie vor dem Städtchen, auf dem Wege nach
Florenz gelegen, nicht minder als ein Zeugniß für die in
der Künstlerfamilie da Majano hergebrachte Verehrung
der Madonna, denn als ein Denkmal ihres brüderlichen
Jufammenarbeircns anzusehen ist. Giuliano und Bene-
deltv aus Majanv sind nämlich de» Künstlern bcizuzäh-
len, welche, vermuthlich augezogen durch die reizende Um-
gebung, in der Nähe vvn Pralv sich Besitzungen erworben
hatten.

Den Namen »Madonna dell' Ulivo," in den Fries
geschrieben, und wohl von einem schon damals in jener
Gegend befindlichen Oelbaum hergenommen, legten die
Stifter selber diesem Tabernakel bei, das auf einem we-
nigstens um drei Ellen die Straße überragenden Halb-
rund sich erhebt. Es zeigt im Ganzen die Form, welche
wir aus gleichzeitigen flvrentinischen Grabmälern kennen.
Auf zwei Pilastern, die ein Basrelief einfchließcn, ruhen
zwei Säulen von zusammengefezter Ordnung, die zwischen
ihnen angebrachte Nische verzierend, und das Gesimse und
Halbrund tragend, welches oben dies zierliche Ganze krönt.
In der Nische selber findet die sitzende Madonna mit dem
Kinde, ganz von vorn genommen, ihren Platz — eine
äußerst einfache, plastisch gehaltene Schöpfung aus ge-
brannter, aber nicht verglaster Erde. Ihr Mantel ruht
auf beiden Schultern, schlägt aber vorne auseinander,
und würde hinten herabsallcn, wäre er nickt durch ein
ans der Brust angebrachtes Band znsammengehalten. Er
bedeckt nur die äußersten Seiten des Oberkörpers, und
läßt somit das unter der Brust aufgegürtete Untergewand
frei, welches von der linken nach der rechten Seite her-
übergenommen, in einem sehr verständlichen Faltengange
Knie und Beine der Madonna beschreibt. Sandalen
zieren ihre Füße; ein Schleier, der nur auf künstliche
Weise sich halten kann, schmückt den ganz wenig nach der
linken Seite geneigten Kopf. Ihre beiden Hände halten
vorne das links in ihrem Schooße sitzende Kind, das
ebenfalls en face erscheint, und mit der Rechten segnet.
— An die in der Misericordia zu Florenz befindliche
Gruppe des Benedetto, welche durch Cicognara allgemei-
ner bekannt geworden, erinnert diese Darstellung weit
weniger, als Baldanzi anznnchmen scheint. Dort ist ein
ganz eigcnthümlicher, aber durchaus momentaner Akt
der Natur abgelauscht, somit aber auch der strengere
Stpl absichtlich anfgegeben worden, während hier an un-
scrm Monumente (an welchem schon nach dem unten an-
gebrachten Ecce Homo die Absicht vorherrschen mochte,
den Vorübergehenden auf ernste, eindringliche Weise an
Register
Dr. Gaye: Kunstgeschichte. 1) La Madonna detta dell' Ulivo presso Prato disgenata e descritta. Prato 1835
 
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