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ähneln, dann einem, in gleichem Geschmack gehaltenen
sogenannten Sakramentshäuschen zur Linken des Hoch-
altars, nur noch die Glasmalereien bemcrkcnswerlh,
welche die Fenster zieren. Was sich sonst noch dorr findet,
ist neuerer beit, und so geschmacklos, als es das Ende
des I7teu und der Lauf des t8ten Jahrhunderts zu geben
vermochte. Die Fenster aber, acht an der Zahl, deren
jedes ans vier Paar Feldern übereinander begeht, ent-
falten jedesmal in den beiden unteren Paaren treffliche
und ausnehmend gut erhaltene Glasmalereien, und zwar
in der Art, daß je das unterste Paar zwei historische
Tableaur und das nächste darüber zwei Wappen präsen-
tirt. Die historischen Tableaur stehen unter fick, in inne-
rem Zusammenhang, indem sie die Lcidensgc,chichte des
Heilands von seinem Einzug in Jerusalem bis zur Auf-
erstehung aus dem Grabe darstellen, schließen aber son-
derbarer Weise mit der Verkündigung Ätaria, was nicht
sowohl dem Ungeschick des Glasers, der beim Einsetzen
der Gemälde deren chronologsiche Folge verlezte, als dem
Umstande zugeschrieben werden dürfte, daß der, vielleicht
entfernt wohnende, Maler über die Zahl der Fenster,
wofür er Bestellung angenommen, im Jrrthum gewesen,
und für deren lcztes noch Nacharbeiten mußte, als die
Gemälde für die übrigen an Ort und Stelle schon ein-
gcsezt waren.

Das erste dieser Fenster enthält an biblischen Dar-
stellungen den Einzug in Jerusalem und das Abendmahl,
an Wappen aber daö der alten bayrischen Herzoge und
von Sicilien.

Das zweite den Oelberg und die Gefangennchmung,
darüber die Wappen von Braunschwcig (?) und —(??)*

Das dritte das Verhör bei Kaiphas und die Geise-
lung, dann die Wappen Kaiser Karls VH. und des rö-
mischen Kaiserreichs.

Das vierte die Dornenkrönung und das Verhör bei
Pilatus, dazu die Wappen von Pfalz und Bayern.

Das fünfte die Kreuzschleppung und die Kreuzigung,
nebst den Wappen des Erzherzogthums Oesterreich und
der gefürsteten Grafschaft Görz.

Das sechste Christus am Kreuze und die Kreuz-
abnchmnng, ferner die Wappen von Cleve und Fraunberg.

Das siebente die Grablegung und die Auferstehung
mit den Wappen von Mailand und Braunschweig.

Das achte enthält lediglich die Verkündigung Mariä,
welche Darstellung übrigens auf beide Felder und zwar
in der Art vcrtheill ist, daß eines von der am Pulte
knieenden Maria, das andere hingegen vom verkündenden

• Durch die willkürliche Wendung der Wappentlüere nach
rechts oder links machte der Glasmaler die Bedeutung
einiger Wappen problematisch.

, Engel eingenommen wird. Diese Anomalie von der
malerischen Anordnung der übrigen Glasgemälde, obwohl
sie alle von Einer Hand sind, kommt unserer Vermuthung,
daß jener Verstoß gegen die chronologische Ordnung dem
Maler, nicht dem Glaser, aufzubürden, sehr zu statten.
| Die Wappen sind die von Ungarn und Frankreich. Jedes
I Tableau ist 2' 1" hoch, l' 2" breit; jedes der runden
Mappen hat l' im Durchmesser. Der Meister ist nirgends
genannt; das zweite Feld des dritten Fensters aber, mit
der Geiselung Christi, trägt die Jahreszahl 1484.- Wer
jedoch in Folge dieses Umstands sich die Freiheit nehmen
möchte, unsere Fenstergcmälde ohne wcitereedm bekannten
Münchner Glasmaler Egid Trautcnwolf zuzuschreiben,
welcher um jene Zeit lebte, vergleiche sie nur mit den
Werken dieses Meisters in der hiesigen Frauenkirche, und
er wird sich stracks überzeugen, daß diese, zu der ersteren
Vortheil, durchaus von verschiedener Hand sind.

Die Blutenburger Fcnstergemälde sind in jedem An-
betracht charakteristisch für die Vlüthenepochc der Glas-
malerei. Sie halten noch streng am musivischen Vortrag,
der denn auch dem Kirchenstyl am angemessensten; von
aufgeschmelztcn Farben oder Flüssen findet man außer der
gelben zu Heiligenscheinen, Haaren oder unbedeutendem
Beiwerk keine Spur; die Hüttengläser aber, aus denen
sie zusammcngcsezt, sind von wunderbar tiefer Sättigung,
von einem Feuer und einer Klarheit der Farbe, und dabei
so mannichfaltig in ihren Abstufungen, wie ich sie selten
angetroffen. Die Verbleiung ist leicht, nirgends störend,
vielmehr die Konturen kräftig für die Ferne markirend;
das Schwarzloth bei leztcrcn pastös, nirgends zerstört,
oder auch nur entfärbt. Fleischtönc sind durchaus ver-
schmäht, das weiße Glas genügt für diese, und auch die
Haare sind nur selten, wie schon bemerkt, mit Kunst gelb
tingirt. Die Zeichnung, welche sich, wie bei Kirchenglas-
malerei sich ziemt, auf nicht viel mehr als die Umrisse
cinläßt, ist von ernster Einfalt, und nimmt, wiewohl
streng, doch einen freieren Schwung, als man auf den
meisten Glasmalereien selbigen Alters wahrnimmt. So
sind auf den kleinen Räumen oft ungewöhnlich viel Figuren
zusammengedrängt; die treffliche Farbcnstimmung und die
ungezwungene Anordnung der Zeichnung gibt aber dessen
ungeachtet den Bildern eine Ruhe und Haltung, welche
sic auch in diesem Anbetracht zu dem Besten stellt, was
mir vorgckommen. Die Wappen sind muthmaßlich von
derselben Hand, keck und leicht, ja mit einer Art geist-
reicher Sorglosigkeit hingeworfen, welche dem Meister
wohl ansteht, welcher bereits seine besseren Kräfte an
Aufgaben bewährt, die ihrer würdiger waren, als ein
bloßes heraldisches Ornament. Die Gläser, welche dazu
verwendet, sind von gleich feuriger Schönheit, wie die an
den Historienstücken, und deuten auf ihren Ursprung aus
denselben Hütten.
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