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362

Seele. Wir sehen aber von der Widrigkeit dieser O.uer-
stellung gern hinweg. Böse Neigungen verzerren den
schönen Bau des Menschen; ein heiteres, wohlwollendes
Gemüth verschönert einigermaßen die Mißgestalt; doch
wird sich die Wohlgestalt immer im Gebiet der Zunei-
gung, der Liebe lieblich bewegen; eine schuldhafte Mag-
dalena wird uns wenigstens als eine Büßende ansprechen;
das Sprichwort warnt uns dagegen vor den von Gott
Gezeichneten. So hart dies klingt, so ist es doch nicht
gegen die Erfahrung, und ein Mißgestalteter bedarf ein
Aufgebot starker sittlicher Kraft, wenn der körperliche
Makel nicht auch in seine Seele einen Eindruck machen
soll, der sich in einem Zuge von Gort- und Menschen-
feindlichkeit zu erkennen gibt. Jede Gestalt hat ihren
Lebenslauf. Der Anspruch, den sie machen darf, die
Neigung, die ihr cntgegcnkommt, wiegt viel dabei. Wir
müssen die Schönheit lieben; die Unschönheit wollen wir
menschenfreundlich behandeln; sie kann es im Leben der
kalten Schönheit, die aber nach unserer Untersuchung eben
darum nur eine halbe ist, weil keine Seele aus ihr spricht,
abgewinnen. An liebliche und geistvolle Aenßernngen
eines Krötenkopfs können wir nicht glauben, wollen ihm
aber unser Bedauern zollen, damit er nicht Gift in sich
koche über die Unbill der Natur.

Was sollen wir uns überhaupt hier, wo von der
Regel die Rede ist, mit fatalen Ausnahmen quälen? Die
Natur hat einmal gewollt, daß in einem gesunden Körper
eine gesunde Seele sei). Was eine verschränkte Zeit davon
thut, das ignoriren wir billig. Die Vermögen des Geistes,
die Talente, die Fertigkeiten sind mancherlei. Die Schön-
heit will und soll nicht gerade der Ausdruck specifischer
inuerer Gaben scvn, sondern im Allgemeinen die Hülle
der Liebenswürdigkeit. Leztere nun auch in einer
ungestalteten Form zu finden, ist gerade, als wenn wir
ein schönes Gedicht in einer schlechten Handschrift, ein
gutes Buch auf Löschpapier gedruckt lesen sollen.

Wenn wir einen antikenKopf betrachten, so finden
wir jedes der Hauptorgane bedeutend großartig dargestellt,
der reinen, faßlichen Grundform des ganzen Kopses, dem
menschlichen Oval, eingeordnet, jedes sich in seinem eigen-
thümlichen Wesen isolireud, sie sämmtlich aber durch die
einfachsten Wellenlinien in einander übergehend und so
zum Totaleindruck verbunden. So bildet nun auch im
Leben das Gewölbte mit dem Flackern, das Feste mit
dem Weichen, das Einfache mit dem Gepaarten, das
Senkrechte mit dem Wagrcchten, das Scharfe mit dem
Fließenden, das Dunkle mit dem Hellen, das Leuchtende
mit dem warm Betonten, das Ruhende mit dem Be-
weglichen :c. bemerkbare Gegensätze; wir finden nicht mehr
Stoff, als zu Ausprägung der Form eben nöthig ist,
Beide in einander ausgehend; das Geistige überwiegt das
Sinnliche, die Organe der animalischen Funktionen sind

gerade von den feinsten, beweglichsten Zügen umspielt,
der Mund z. B. der ißt, kaut, ausspuckt, ist zugleich z»
lieblicher, zu kluger Rede und zum Kusse geschaffen rc.
Die Seele, das Leben des Menschen von seiner reinsten
Geistigkeit bis zur natürlichen Sinnlichkeit, vom Hoch-
gefühl bis zum animalischen Bedürfniß abgestuft, blickt
aus dieser faßlichen Form.

Wer sich's zum Geschäft macht, die Men sch en-
p h y si v g n o m i e n mit dem Sinn für Form anzuschauen,
zu mustern, der findet, daß fast fein Gesicht ohne Züge
der Wohlgestalt, der plastischen Annehmbarkeit, der An-
muth, des Reizes gefunden wird, daß gefälliges Aus-
sehen namentlich beim Frohsinn und bei einiger Gewohn-
heit des Umgangs gar manche Abweichungen von der
Regelmäßigkeit übersehen laßt, daß Hübschheit im Ganzen
bei manchem Menschenschläge sehr verbreitet, eigentliche
Schönheit aber, als Versammlung normaler Hauptformen
unter den regelmäßigen Grundtypus, eine sehr seltene
Erscheinung ist. Mußte ja hier die Natur einerseits eine
gewisse Größe der Dimensionen ausbildcn, andererseits
in diese wahrnehmbarste Hauptgestalt in harmonischer
Unterordnung und leisen Uebergängen die besonder» Form-
systcmc bis zum kleinsten Getheil einbilden.

(Fortsetzung folgt.)

Gelegenheitliches über alte und neue Glas-
malerei in Mayern.

iv.

Born Alter der Fenstergemäldc in der Mctropolitankirche zu
U. L. F. in München.

Die gemalten Fenster der Münchner Frauenkirche
werden insgesammt und mit aller Zuversicht dem Glas-
maler Aegid Trautenwolf zugeschrieben. Lipowsky
nämlich (in seinem bayrischen Künstler-Lerikon) und nach
ihm viele Andere, darunter auch Fiorillo (Geschichte der
zeichnenden Künste in Deutschland :c.), erzählen: Die
Fenster in der Südseite dieser Kirche seyen ehemals durch-
aus mit farbigen und bemalten Scheiben besezt gewesen;
der Stifcskanonikus und Custos von Besnard aber, der
sich für die Verschönerung des Gotteshauses interessirte,
habe jene Malereien hinwegnehme» und auf alle Fenster
vertheilen, die dadurch entstandenen Lücken dagegen mit
weißen Gläjcrn ausfüllen lassen. Bei dieser Gelegenheit
scy eine Scheibe mit dem Bildniß des heiligen Aegidius
und der aufgeschmolzenen Schrift entdeckt worden: Egi-
dius Trautemvolf pictor Monac. me fecit. Soli l)eo Gloria.
Aus solcher Inschrift, welche höchstens bewies, daß Trau-
tenwolf gerade diese Scheibe gemalt, zog man sofort den
Register
Dr. Gessert: Gelegenheitliches über alte und neue Glasmalerei in Bayern. IV) Vom Alter der Fenstergemälde in der
Metropolitankirche zu U. L. F. in München
 
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