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403

„Industrie, Industrie!» erwidert die Kunst, „du bist
nichts als eine Despotin und eine Lügenprophetin! Dein
ganzes Wesen ist auf die Lüge und den Schein gestellt;
von der Lüge und falschen Voraussetzungen geht dein
Treiben aus, auf die Lüge und Jrrthümer führt cs wieder
hin; in der Lüge lebst und webst du, Lüge ist dein Denken
und Dichten; deine Rede und all dein Thun ist Lüge.
Nie wird die Welt dein gehören, nie und nimmer werden
die Seelen dich zu ihrer Herrin erkiesen! Du behauptest,
du verbreitest Bildung über die Erde; ich behaupte, du
säest nichts als Verwilderung und Zwietracht. Was hast
du nur für das leibliche Wohlergehen der Gegenden be-
wirkt, wo du herrschst? Was hast du für dein liebes
England, dein auserlesenes Volk, gethan? Hast du seiner
jämmerlichen Bevölkerung von Fabrikarbeitern Kleidung
und Nahrung verschafft? Haben deine Hunderte von
Journalen und Zeitungen, welche du mir Dampfprcssen
druckst, seine Intelligenz bereichert und seine Sitten ge-
bessert ? Hast du ihnen Mäßigkeit und Nüchternheit
gelehrt? Nichts von allem dem, so viel ich weiß: denn
es sterben in den englischen Manufakturstädten fortwäh-
rend Tausende von Menschen an übermäßigem Brannt-
weintrinken, und vor Hunger oder Hälte; und der englische
John Bull ist noch immer der roheste Pöbel der Welt.
Nichte deine Blicke nach klügeren Ländern, welche dich
bis jezt nicht über die Grenze gelassen haben. In Spanien
und Italien gibt cs noch keine Eisenbahnen; der Dampf
und die dicken Rauchwolken deiner Maschinen verdüstern
daselbst nicht den blauen Himmel. Sind denn die dort
wohnenden Menschen so elend und brutal? Trinken sie
nicht reines Wasser unter ihren von Neben strotzenden
Weinlauben? Begegnet dir ein Einziger, der den Himmel
anklagt, daß er kein Brod habe? Findest du selbst unter
den Bettlern einen Einzigen, der nicht seinen Mancel
gegen die Abendluft bat, und darunter seine Guitarre,
um sich ZU begleiten, wenn er im Sonnenschein liegt und
eine Romanze improvissrt? Welche Schätze hast du jenen
Leuten für ihre dichterische Armnth anzubieten? Die
schnellen Kommunikationen, welche du herstellst, nützen
nur dem Lurus und Reichthum einiger Weniger: du
durchwühlst die Erde in allen Richtungen, bloß um die
Augen des Armen mit dem Golde zu verblenden, welches
du ihm vorenthältst; du gründest keine Gleichheit, sondern
an die Stelle des alten Geburtsadcls setzest du einen
Geldadel, der hundertmal kleiner und gehässiger ist. Aber
du rühmst dich auch, daß du mich verdrängt hast, und
du behauptest, mein Reich sev zu Ende. Vergleich ein
wenig die Dauer unserer Werke. Deine kühnsten Arbeiten
sind nichts als unbeständige, ephemere Erscheinungen und
Bestrebungen. Jeden Morgen zerstörst du, was du den Tag
vorher gemacht, und fängst unmittelbar nachher wieder
an, auf deinen eigenen Ruinen zu bauen. Gestern grubst

du Kanäle; heute pflasterst du die Landstraßen mit Eisen;
morgen wirst du ohne Zweifel versuchen, deinen Wagen
durch die Lüfte zu lenken. Betrachte dagegen das Schicksal
meiner Schöpfungen, welche keineswegs vorübergehend
sind, sondern in ununterbrochener Reihe auf einander
folgen und sich aneinander reihen. Was ich gestern ge-
leistet und bezweckt, brauche ich am nächsten Tage nicht
zu widerrufe»; ich habe der Menschheit ein unermeßliches
Kapital von Freuden und Genüssen vermacht, welches
unablässig anwächst und immerfort Zinsen trägt. Ich
habe den Homer und Virgil nicht znrückgenommen, als
ich den Dante und Shakespeare der Welt gegeben, noch
den Michel Angelo und Raffael, da ich den Murillo,
Velasguez, Rubens und Rembrandt sandte. Selbst in
der neuesten Zeit bin ich keineswegs so unfruchtbar und
verwaiset, als du meinst. Deutschland ist noch ganz hell
von den lezten Strahlen des Goethe'schen Gestirns, welches
kürzlich an seinem Litcraturhimmel untergegangen. Rossini
nimmt die Leycr wieder zur Hand; Meyerbeer bespannt
die scinigc mit neuen Saiten, und am Horizonte des
verjüngten Frankreichs taucht ein neues Siebengestirn
von Dichtern und Malern herauf. Industrie, Industrie,
halte das eiserne Diadem, welches du dir selbst zuerkannt
hast, auf deinem Kopfe fest, wenn du kannst; mir wirst
du nie die Krone entreißen, welche meine Stirn mit
einem ewigen Glorienschein umleuchtet.»

Nachrichten vom Oktober.

Kupferwerke.

läom. Francesco Rondoni, Sammlung von Por-
träts berühmter Männer nach den in der Protomotcca Ca-
pitvlina aufgcflcUtcn Büsten lithographirt. iS Heft, mit den
Porträts Pins VII. und des Malers Giotto.

Paris, t.uoien de IVosny, L’bpervier d’or, ou de-
scription historiquc des joutcs ct des tournois, qui sc cc'le-
brereut a Lille au moyen ägc. s. io Fr. (In 200 Exem-
plaren gedruckt mit 360 Wappen und ig Lithographien ge-
schmückt, und gegen die erste Ausgabe sehr vermehre,)

Nancv. Leu pol et F.ug. de Mirccourt, Ln Lor-
raine, antiquilc's, clironiques, description de« siles et des
monumcns remarquables de ecltc provincc eie., avcc des
Gravüre«. 8. Livr. i U. 2. (Auf 5 Bdc. berechnet).

tsondon. All autumnal lour on the Wyc (Herbstrcise auf
dem Flusse Wye), von L. A. Twamley; nebst 20 Stichen
nach Zeichnungen von Co Pley, Fiel ding, D. Cor :c.
bei Charles Tilt. 2tc Auflage.

The Belle of a Scason: ein Gedicht der Lady Blef-
fington, auf io Kupfern nach Zeichnungen von A. E.
Cyalo», Esg., Imp. Oktav. Pr. l Pfd. u'/2 Ech.; auf
chin. Pap. 2 Pfd. Sch.
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