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102.

2V-

Kunst-Dlatt.

Donnerstag, den 19. December 1839.

Die gegenwärtige Malerei in den Ilie-erlandcn.

Die ehemaligen italienischen und niederländischen
Malerschulen haben in ihrer Geschichte viele Achnlichkeit
und sind sehr gut mit einander zu vergleichen. Italien
hatte einst einen Raffael, Michel Angele, Ca-
racci, Tizian und Cor egg io aufzuweisen; die Nie-
derlande besaßen dagegen ihren Rubens, Vandvk,
Jan Steen, van dcr Helst, Rembrandt, Hob-
bema undRuisdael, welches die Bildergalerien beider
Länder, wo die reichen Nachlaffenschastcn dieser Künstler
vereinigt sind, noch besser darthun können; allein diese
Nachlasse, weit entfernt um für den Ruhm ihrer jezt
lebenden Kunstgcnossen zu rechten, legen diesen vielmehr
die schwerere Verbindlichkeit auf, sich des Ruhmes der
v Väter würdig zu machen: nämlich nicht dasjenige aus-
zuführen, welches diese bereits in frühem Tagen gethan
haben, sondern der Zeit gemäß fortzuschreiten, was der
Geist des Augenblicks mit Billigkeit zu fordern vermag.
Weder in Italien noch in den Niederlanden ist dies wahrlich
der Fall; denn die erstgenannte Schule, einst der Sitz der
höchsten Idealvorstellung, liefert jezt in ihren Gemälden
farbige Statuen, statt der Menschen; die Statuen sind
mit Draperien behängt, statt bekleidet, und den Köpfen
mangelt der Seelenausdruck. Die zweite, obgleich nimmer,
selbst wahrend ihrer größten Blüthe, so hoch gestiegen,
ist auch nicht so rief gesunken. Der einfachen, sie täglich
umringenden Natur getreuer, war cs ihr unmöglich, den
guten Weg der Wahrheit lange zu verlassen, oder sie
wurde bald auf denselben zurückgcführt.

Als König Ludwig im Anfang dieses Jahrhunderts
die niederländische.Kunst wieder emporhalf und aufmun-
terte, bekam sie einen neuen Aufschwung, und van der
Kroi brach das erste Eis. Dieser Künstler trat sogleich
als ein tüchtiger Kolorist auf. Ihm folgten P ie n ein a n »,
Ho dg es und die Kr ü sc man ne als Porträtmaler, ob-
gleich Ersterer auch Quatrebras und Waterloo gemalt
hat; doch wir übergehen mit Stillschweigen die mehrern

oder wenigern Verdienste der Werke dieser Meister, weil
sic den meisten Lesern bereits genügend bekannt sepn
werden.

Nach der Vereinigung Belgiens mit Holland lernten
wir in jenen südlichen Provinzen die Geschichtsmaler
Math, van Bree, Paelinck und Navez kennen,
von welchen wir mit einigen Worten näher handeln
werden.

Math, van Bree, Direktor der Malerakademic zu
Antwerpen, hat seine Laufbahn eifrig und unermüdet
betreten, und sich eben so sehr in diesem Wirkungskreise
als in dem eines Geschichtsmalers Verdienste erworben.
Seine große Fertigkeit im mechanischen Thcile der Kunst
hat ihn mehrentheils verleitet, seine Stücke nicht genug
für eine reine Zeichnung und Ausführung des Ausdrucks
zu studiren. Die heroische Hingebung des Bürgermeisters
van der Werff bei der famosen Belagerung der Stadt
Leiden durch die Spanier im Jahr 1574, an die aus-
gehungerten Leidener Bürger, welche er für das dasige
Rathhaus verfertigt, ist wohl das beste Gemälde, welches
wir seinem fertigen Pinsel verdanken. Mit schaudererre-
gender Wahrheit erblickt man die ausgehungerten und
abgemergelten Jammergestalten, die ihren Bürgermeister
zur Uebcrgabe der Stadt ausgcfordcrt hatten, schon um-
gestimmt und voll Reue, nachdem er, die Uebcrgabe ver-
weigernd, sich selbst dem hungernden Volke znm scheuß-
lichen Mahle dargeboten. Dieses berühmte Gemälde
bedeckt eine ganze Wandseite; man tadelt an demselben,
und wohl nicht mit Unrecht, daß der Künstler ans dem
Gemälde keine Lokalität dargestellt habe, die bestimmt ans
Leiden Hinweise. Weniger glücklich scheint uns sein »Sterbe-
bette des Rubens" im Museum zu Antwerpen, worin
sowohl die Anordnung und der Ausdruck, als daö Kolorit
unnatürlich erscheinen. — Von Paelinck und Navez
hangen zwei Gemälde einander gegenüber im Prinz
Mauritzhause zu Grafenhaag (jezt in Haarlem). Erstereö
die »Toilette der Psyche" und das andere die „Auferweckung
des Sohnes der sunamitischcn Frau durch den Propheten
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