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«7.

Kunstblatt.

Dienstag, den 24. August 1841.

Illustrirte Werke.

Dr. Martin Luthers deutsche geistliche Lieder, nebst
den während seines Lebens dazu gebräuchlichen
Singwcisen und einigen mehrstimmigen Tonsätzcn
über dieselben, von Meistern des 16tcn Jahr-
hunderts. Herausgegeben als Festschrift für die
vierte Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckcr-
kunst von C. v. Winterfeld. Mit eingedruckten
Holzschnitten nach Zeichnungen von A. Skrä-
huber, Leipzig 1840. Druck und Berlag von
Breitkopf und Härtel. 132 S. gr. 4.

Es ist hier nicht der Ort, von der Veranlassung,
noch von der gelehrten und gründlichen Bearbeitung
dieses Werkes zu reden, die von Kennern der Geschichte
der Musik bcurrheilt werden muß; wir wollen nur des
Künstlers gedenken, der diese Gesänge mir Zeichnungen
begleitet und ihre Ausgabe zu dem schönsten Werke ge-
macht hat, das bis jetzt durch den deutschen Holzschnitt
geschmückt worden ist. In Ansehung des Technischen,
der Schärfe und kunstvollen Feinheit des Schnitts, der
Kraft und Wirksamkeit des Drucks steht dicß Werk zwar
hinter der im Cvtta'scbcn Verlag erschienenen Ausgabe
des Cid von Herder zurück; der Zeichner ging hier nicht
auf eine solche Mannigfaltigkeit und kühne Freiheit der
Behandlung aus, wie Neureuther, welcher Anfangs-
buchstaben, Rand-Arabesken und Schnörkel mit ganzen
Sccnen und Bildern wechseln ließ; auch wurde der Holz-
schneider hier nicht darauf angewiesen, jene magische»
Gegensätze von Lichtern und Schatten, von dunkeln,
verschwimmenden und zarten Tönen hcrvorzubringen,
welche man in England und Frankreich jetzt io trefflich
zu erreichen weiß. Es sollte vielmehr die ganze Behand-
lung an die einfache altdeutsche Weise erinnern, welche
den Gesäugen selbst und der Zeit ihrer Entstehung zu-
sagt. Dcmungeachtcl aber machen diese Verzierungen

den lieblichsten Eindruck, cs fehlt nichts, was ihnen
Zartheit und Eleganz geben kann, und dabei bewahren
sie die ernste, feierliche und tief gerührte Stimmung,
welche die Gesänge Luthers, wie der Hauch eines frischen,
heiligen Morgens durchweht.

Der Künstler hat mit dem Dichter wie ein liebender
Jünger gelebt, er ist an seinen Lippen gehangen und
hat den Blitzen seines Geistes gelauscht, er hat mit ihm
getrauert und gejubelt, er hat alle Festtage mit ihm
gefeiert und mit ihm das Entzücken heiliger Begeisterung
getheilt. Man empfindet es beim ersten Anblick, daß
die einfachen, kräftigen Melodien in die zarten Figuren
der Zeichnung übergegangen sind, daß der Aufschwung
des Dichters und Tonsetzers in den Gebilden des Zeich-
ners fortlebt.

Und dabei hat sich unser Künstler überall sehr mäßig
gehalten. Ausgenommen den Titel und den Lobgesang:
„Herr Gott dich lobe» wir," hat er nur den Anfangs-
buchstaben eines jeden Liedes zu einem Bilde gemacht,
indem er bald das Bild mit dem Buchstaben, bald den
Buchstaben mit dem Bilde einfaßte. — Mit richtigem
Sinn hat er die Form der Buchstaben gewählt, die ein
Jahrhundert vor Luther gewöhnlich war und in den
ältesten Drucken vorkommt. Wie die Grundlage der
lutherischen Gesänge meist alte Kirchenhymnen sind, so
dursten auch diese Verzierungen an die ältere Kunst er-
innern. In der Umgebung dieser Schriftzüge ist er mit
größerer Freiheit verfahren, ohne sich deßhalb von dem
durch sie bedungenen Styl zu entfernen. Bald ist es
gvthische Architektur und plastisches Laubwerk, bald sind
cs lebendige Blatter und Blumen, die sie umflechten,
und die Gewandtheit, mit welcher der Künstler diese
Verzierungen angebracht, die Erfindungsgabe, womit er
immer neue Formen und Weisen hervorgezaubert, das
Gefühl für Schönheit und Anmuth, das er in jedem
Zug seiner Hand bewährt hat, erwerben ihm den gerech-
testen Anspruch auf unsere Bewunderung. So schön aber
alles dieß ist, so steht cs doch noch hinter den menschlichen
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