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hatte, erwies dem Maler der Atala die lezte Ehre. Er
legte auf den Sarg die Insignien des Offiziersgrades der
Ehrenlegion, welche der König dem Andenkendes Künst-
lers zuerkannt hatte. Der Graf Fvrbin, General-Di-
rektor der Museen, die Akademie der schönen Künste,
eine große Zahl Mirglieder der übrigen Klaffen des In-
stituts, Hr. von Humboldt, Hr. Bertin, und viele an-
dere ausgezeichnete Personen waren gegenwärtig. Seine
Zöglinge hatten beschlossen, selbst die sterbliche Hülle ihres
Meisters zu tragen; die der übrigen Schulen wollten
ebenfalls an dieser Ehrenbezeigung Theil nehmen und
thaten cs mit einem oft bemerkten Wetteifer des Ge-
fühls.

Als das Leichengefolge, das aus mehr als tausend
Personen zu Fuß und einer großen Anzahl von Wagen
bestand, auf dem östlichen Kirchhof (des ?öre I-» Chaise)
angelangt, und der Leichnam in seine lezte Wohnung
gesenkt war, nahmen mehrere Personen nach einander
das Wort. Hr. Becquerel, Verwandter und Freund
Girodets, sprach einfach und rührend seinen Schmerz
aus. Der Maler Hr. Velloc, Zögling einer andern
Schule, beklagte, von Vetrübniß und Bewunderung
hingerissen, mit eindringender Wärme den Verlust, wel-
chen Frankreich und die Künste so eben erlitten; end-
lich hielten Hr. Garnier im Namen der Akademie der
schönen Künste, und Hr. Naoul-Rochette, als Mitglied
des Instituts, zwei) Reden, die mit der gespanntesten
Aufmerksamkeit angehört wurden.

Schon fing man an, den Sarg mit Erde zu bedecken,
als Hr. Gros, dem Antrieb seines Herzens nachgebend,
ebenfalls das Wort nahm. Er sprach mit der hinreißend-
sten Wärme von seinem Mitschüler, seinem Nebenbuhler,
seinem Freunde. Mit großen Zügen malte er Girodets
außerordentliches Talent; mehrere Male, und mit dem
Ton der innigsten Ueberzengung sagte er, die Schule
würde sich verirren und zu Grunde richten, wenn sie sich
von der durch Girodet und David vorgezeichneten Bahn
entferne; er beschwor die Jünglinge, die ihn anhörten,
den Fußstapfen derselben zu folgen, und bezcichnete die
im Salon ausgestellten improvisirten großen Werke als
Geburten eines falschen Systems, worin man eher um
den Preis des Wettlaufs, als nach dem wahren Ziel
der Kunst ringe. Es herrschte eine unaussprechliche Ver-
wirrung in seiner Rede, seine Stimme war bewegt,
aber dennoch mächtig; er bewirkte tiefen Eindruck,
dreymal ward er vom Vevfallrufen unterbrochen. Was
in dieser Lobrede nur Ehrenvolles lag, wurde lebhaft
empfunden und mit Bcyfall anerkannt. Er erwähn-
te selbst, wie man oft Irrungen zwischen ihm und
Girodet habe veranlassen wollen, aber so oft er sich sei-
nem alten Freunde wieder genähert, habe er sein gan-
zes Herz wieder gefunden. Das hieß zugleich den Men-

schen und den Künstler preisen, wie er es verdiente;
der Enthusiasmus, der sich vorher schon so kräftig ge-
äußert hatte, stieg durch diese unvorbereitete Rede aufs
äußerste; und Girodets Ruhm erschien in diesem Augen-
blicke durch alles erhöht, was öffentliche Achtung und
das Zeugniß eines Mannes von so großem Talent hin-
zufügen konnten.

Als Hr. Gros geendigt hatte, legten er und Giro-
dets Schüler und Freunde auf das Grab die Kränze nie-
der, die sie während der ganzen Ceremonie in den Hän-
den gehalten hatten. Wer unter uns, indem er dem
Verblichenen dieß lezte Zeichen seiner Bewunderung weih-
te, fühlte nicht jene Beengung des Herzens, die ein lez»
tes Lebewohl begleitet? Als man im I. 1819 die Ga-
latea bekränzte, war es eine Zeit des Ruhms, der Freude,
des Glücks; jezt ist alles dahin, bis auf das Andenken,
das-seine Freunde bewahren werden, und die Bewunde-
rung, die man immer seinen Werken zollen wird.

Ich habe bis jezt von dem Künstler gesprochen, und
dennoch habe ich bey weitem nicht alle seine Werke ge-
nannt. Ich habe jener Compositionen aus der Aeneide
und Racine nicht erwähnt, welche den schönen Didot'-
scken Ausgaben bevgefügt sind; ich hätte jener reizenden
Figuren der Jahreszeiten gedenken sollen, die er für den
König von Spanien malte, und deren Wiederholungen
in Compiegne sind; dann einer Danae, in welcher An-
muth und Feinheit der Ausführung sich mit dem Lie-
benswürdigsten vereinigen, was ein zarter Geist Hervor-
bringen kann; *) was aber unmöglich aufzuzählen wäre,
sind die bewundernswürdigen Compositionen, mit wel-
chen seine Portefeuilles angefüllt sind, und deren Be-
kanntmachung seinen Ruhm um ein Großes steigern wird.
Ich nenne nur ungefähr fünfzig Gegenstände aus Äna-
kreon, von Chatillon, einem Zögling und Freund
Girodets, gestochen, die eben bekannt gemacht werden soll-
ten, als der Tod alles hemmte; ferner etwa zweyhundert
Compositionen aus Virgil außer den schon genannten; die
Sieben vor Theben, eine große prachtvolle Scene; die
Liebschaften der Götter; eine Pandora; die Geburt der
Venns; Venus, welche Jupitern für die Troer anfleht,
und eine Menge andrer eben so schöner und anziehender
Scenen aus Sappho, Moschus, Musäus und den griechi-
schen Tragikern, worin er alle Anmuth, Zartheit und
Erhabenheit seines Talents entfaltet hat, und, sich selbst
überlassen und unbekümmert um die öffentliche Mcp-
nung, sich seinem schöpferischen und poetischen Genie ganz
hingab.

Es bleibt mir noch übrig, von Girodet als Meist

Diese Figur ist von Anbry lc Co inte mit einigen,
von dem Maler selost getroffenen Aenbernngen lithogra-
phirt worden. Vergl. Kunstbl. 1824. Nr. 54.
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