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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0127

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.

Fries und Medaillon (s. unten) in der Wandelhalle (Königreich Preußen). Modellirt von Prof. Otto Lessing, Berlin.

köpfen, an der Doppeltreppe, die, zwischen sich den von
unten zugänglichen Raum der Stenographen umfassend,
zur Redner- und Präsidententribüne emporfahrt, die
prächtigen Pfosten und die scharf silhouettirten Baluster,
vorn am Rednerpult die ausdrucksvollen, sprühendes
Lehen atmenden Köpfe der vier Temperamente, oben als
Krönung des großartigen, auf Schienen vor und rück-
wärts zu bewegenden Präsidentenstuhles die Relieffigur
der Gerechtigkeit, die den Wagebalken mit gleich ge-
stellten Schalen über der Schulter trägt, an der Pfeiler-
stellung des Haupteinganges ausgegründetes Flachorna-
ment, hoch oben auf den Pfosten der Schranken, welche
die Loge des Kaisers abschließen, ruhende Adler, unter-
halb dieser Loge das sinnvoll
verwertete Motiv der Kette
des Schwarzen Adlerordens,
und weiterhin an den Stäm-
men der Säulen und an be-
vorzugten Stellen der Ge-
simse Masken und sonstiger
Schmuck. Auch sei der bei-
den sogenannten „Hammel-
sprungthüren" gedacht, von
denen die eine an der Nord-,
die andere an der Südseite
zwischen eingestellten Wand- /

Säulen liegt. Sie sind in I

originellster Weise taberna-
kelartig ausgebildet; als Gie-
belfüllungen zeigen dieTaber-
nakel geschnitzte Hammel- I

köpfe, und als Bilder vor-
züglich ausgeführte, deut-
lich gefugte Intarsien, von
denen die eine den Po-
lyphem darstellt, der die
Mitglieder seiner wolligen
Heerde, an deren Bäuchen
die listigen Griechen hängen,

v

tastend zählt, die andere den mit dem Zählen der Rüben
emsig beschäftigten Rühezahl.

Das alles gelangt zu um so schönerer Geltung, als
die technische Ausführung mustergültig ist. Groß und
geradezu monumental ist die von G. Riegelmann-Berlin
ausgeführte Schnitzerei; sie setzt Fläche gegen Fläche ab
und lässt den Schnitt des Schnitzmessers ausgiebig er-
kennen, sowie den knorrigen, festen Charakter des Eichen-
holzes voll ausströmen. Um die Tischlerarbeit haben sich
zwei hervorragende Berliner Firmen hohe Verdienste er-
worben: von G. Olm sind die West- und Ostwand, der
Präsidentenstuhl, sowie die Stühle, Sessel und Pulte für
die Reichstagsmitglieder und den Bundesrat hergestellt,

von Gebr. Lüdtke die Decke,
die Nord- und Südwand,
sowie die Schranken für den
Bundesrat und verschiedene
andere Teile. Die Polsterung
der Rücklehnen und Sitze
k der Klappstühle und Sessel

i--*^ v ist mit resedafarbenem Leder

"x überzogen, das mit großen,

"■■\ goldig blinkenden Motall-

knöpfen beschlagen ist. Der
Resedafarbe des Leders, mit
\\ dem auch die Pultfläehon

!■, bespannt sind, gesellen sich

an den reicher ausgestatte-
ten Sesseln der Bundesrats-
mitglieder die deutsehen Far-
ben, die in rechtwinkelig
gekreuzten Balken mit auf-
gelegtem Goldschilde und
Adler die Rücklehnen zieren.
Alle diese Lederbezüge sind
aus der weithin bekannten
Werkstatt von G. Hulbe-
Berlin und Hamburg hervor-
gegangen. Don Boden des
 
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