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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 8.1894-1895

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11729#0053

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LebiM spendeiideil, produktiven KUnstler, welche gewissenlvc?, dnzn
durch gebieterische Wnrde verlekend, deni dvs Schöne aufnehnien
dein genießenden Snbsett nnr imnicr znrief i „i?tnf die Knnstler,
wv sie aiiÖ der geistigen Werkstatt ihres Schaffens Plandern,
wv sie in ihrer snbiettiven Befangenheit nnd persvnlichen Ein-
seitigkeit Geheininisse des Werdeprvzessec' der Lnnst abfichtlich
vder iinabfichtlich initznteilen versnchen, diirft ihr n i e ni a l s
hörcn!" Jener alte, schvn aus dein antiken Gricchentnin be
kannte Sap, das; „Gleiches stets nur vvn Gleicheni salsv nicht
der .lrnnstler vvin Philisterj erkannt werden könne", cr schien
ivie erschntterti ein Priinat der Wissenschaft vvr der Kiinst war
daniit ans den Thrvn erhvben, den cin Richard Wagner zwar
thevretisch durch seine Schriften längst entivnrzelt halte, dessen
praktisches Andanern aber ab> Berdrangnng dcs Liinstlerischen
dnrch ein gewaltig, bis zuni Nbermas; angewachsenes Gelehrten
tiiin in nnserer Epvcbe deni Erscheinen einee' svnst keineswegs
cinivandfreien Werkes, wie jenes „Reuibrandt als Erzieher",
ncinientlich aber auch den Kvnrad Langeschen Mahnrufen eine
sv starke Berechtigung verleihen ninhte.

Endlich ist — alleo iinnier zuni Verstandnie' des Ariedrich
vvn .vaiiseggerschen Buchee' — eincc- dritten, kauin gelinderen
.vwchinutes der Wissenschast nvch zu gedenken i der bekanntcn
iinüberwiiidlichen nnd siir anfgeklärte Fvrscher geradezu lächerlichen
Schen vvr allein, wac' nur irgcndwie nach „Oklnltic'innH", nach
Tranuileben, svinnainbulen Ziiständen, Hypnvse, Psychvse und
Snggestivn vvn wcitem anssieht — als vb es nicht Dinge gäbe
im inenschlichen Lebcn, bei deren Auchvrschung und Ergründung
unser waches Bewnßtsein weit eher hinderlich als sördcrnd sich
erweist! Was anyerhnlb nnseres Bewußtseins liegt, brancht
darnni nvch nicht anch außerhalb nnseres Weseno zu liegcn, iin
Gegenteil, es begreift vft gerade die eigentlichen Ticfen nnscrer
Seele in sich, deren geheimeiu Pnlsschlag nnd lebendigen Tricb
federn cw mit deni inneren, statt mit dem üußcren Ohrc nur
crsk cinnial zu laiischen gilt: nnd wenn z. B- Lchvpenhancr
nicint, daß der Miisikcr nber Dinge Ansschluß giln, lrüunicnd,
ivie eine Svnnanibule, vvn denen er wachend keine Ahnung
hat, sv svllte inan an eincr ,vlchen Äußerung nicht init Vvr
nehnicin Achselzucken und übcrlegener dlblehnung vvrbei gehcn,
svndcrn vielniehr vvn ihr dic philvsvphische Betrachtung lieber
einnial anslanfen lassen, um zu schen, zu welchem Ende diese
andersgeartete dluffassnngr-weise, diese bisher nvch gar nicht „an
gewandte Methvde" viclleicht dvch noch hinansführc.

dlllen diesen drei „Hvchmutc'teufeln" unserer mvderncn Bcsser-
wisserei und des svgenannten gesiinden d.Penschenverstandes
gegenüber bedeutet nun ein Bnch, wie das nene Friedrichs
von Hausegger, dac? Ei des .Evluuibus. Bon der Physik des
Hunstobicktec' und der Physivlvgie des Äunsteindrnckes ivird hicr
zur Psycholvgie dec- Knnstschasfens als svlcher vyn dcin kvn-
genialen, niit einpsünglichein, kUnstlerischein und dichterisch nach-
schaffendein Sinn begabten Autvr beherzt vvrgedrungen: nicht niehr
die initui-L uatnratL der alten Ästhetik ist das Objekt dieser Fnrsch-
ung, die produktive naturL irLturans bildet ihr nenes Thema
— mit ruhiger und sicherer Hand werden hier, ganz unabhängig
vvn dem Streite der „Dednktiven" nnd „Jnduktiven", einer viek-

! verheißenden neueii „Ästhetik dcr Zukunft" die Pfvrtcn geösfnct.
Und das Merkwürdige dabei ist just nvch dies, daß da vvn

m » si kali sch er Seite ans der Angriff anf den Gesanitnmfang
allcr Knnstästhetik Uberhaupl ersvlgt, ganz wie mir dies ein
Univcrsitätslchrer vvr Fahren schvn einmal prvphezcit hatte,

! indem cr mich darauf hinivies, daß dic geincinsamc Ästhetik
! sämtlicher KUnste allcr Wahrscheinlichkeit nach vvn der Ästhetik
i der Tvnkunst auc' refvrmiert, erncuert nnd ergründet iverden,

^ daß ec- dac- musikästhetischc Prvblem in seinem Kcrnc sein

! wUrde, welchcs dm? üsthetiiche Gesamtgebict lu uuce gleichsam
! erhellen nnd — dn§ „Mysterium" endlich enthUllen werde.

> dcicht wird dec? Künstlers 'Thnn und Treiben in dic Kvmpetenz
! nnr des Bivgraphen mehr verivieseu und dcr WUrdigung des
Ästhetikers wic bisher entzvgen, vielmehr wird das Kunstwesen
vvn dicser neuen Richtnng statt im Knnstprvdukte im Kunst
prvduzicrenden nnn gesncht, das Prvduktive Subjekt, der Vvr
gang dc<' im Fnncrn Werdcnden im Gegensalz znm Äußern
G e w v r d c n en , ist da» dllpha nnd Omega dicser jlingcn Ästhetik.
Fn den Bvrgängen dec' Traumlebens, der Erscheinung des

Wahiisinncc:', dcn Äußernngen dcr Hypnvse und de« Svninam-
biilic'Miic' ivcrdcn die Physivlvgischcn Grundlagcn, dic natur
wisscnschasllich-craktendlnhalt'r'punktc zur Erforschung jcnes dunklen
„Fenscit-M der Bewußtsciii'öschwelle im KUnstler gesuchch alle
Prvblcme der Ästhetik vvn hicr ane', schlimmsten Falles durch
einen dlnalvgieschluß, zu einer befriedigenden Lösnng gebracht.
Knrz, was ein Novalis mit seinen „Hymnen der dcncht" u. a.
sür die Dichtnng, ein Schvpenhauer mit seinem „Willen in der
Natur" und der „Metaphysik der Mnsik" sür die Philvsvphie,
ein di. Wagner mit scinem „Tristan" sUr dic Prapis des mu
- sikalischcn Dramas schon heutc ist, dUrste Friedrich vv» Hans
egger mit seinem „Fenseits vev Künstler':'" für die gesamte
Ästhetik dcreinst gewvrdcn sein.

diatürlich wird sich anch gegen manchc Ergebnisse dieses
! Bnches wieder gar manches cinwcnden lassen. Jch habe an
anderer Stelle solch wissenschastliche EinwUrse des Auc'sUhrlichen
! verfolgl nnd dort namcntlich ausgefUhrt, ivie sich vielleicht in
dem vvm Antvr entivickelten Symbolbegriff ein einheitliches Be
trachtnngsmvment fiir alle KUnste gemeinsam auistellen ließe,
das trotzdem dvch eine Art Zvnderstellnng der Mnsik nnter ihren
Schwestern <nach Schvpenhauer) rechtfertigen wUrde und bcstehen
ließe. Allein hier kvnimt eo nns nicht so sast aus ein kritische
Besprechnng als viclmehr anf eine freudige BegrUßung der nenen,
gerade fUr K ünstler sv s e b r interessanten nnd fvrderlichen Er-
scheinung an, und an dem grnndwesentlichen, blcibenden Ber-
dienst dieser in Hohem Grade k u n st wissenschastlichen Publikativn
vermögen svlche Betrachtnngen vhnedies ja kein Fvta zu ver
rückeu. Mit vvllem Recht hat schvn eine srühere Besprechung
des Bnches es betont: „Bieles-, watz in ihm nvch nicht unbe
strikten dargestellt iverden kvnnte, würde bei weiterem dlusbau
der okkulten Wissenschasten seinen Beweis nnd die vcrdiente
WUrdigung fiichen": ganz treffend nennt es Heinrich Welti eines
der ,.8tanckai-ck cvorks" unserer neuen Kunstanschauung.

Artbnr Seidl
 
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