Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Laur-Belart, Rudolf
Vindonissa: Lager und Vicus — Römisch-Germanische Forschungen, Band 10: Berlin, Leipzig, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42465#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A. Einleitung.
Die Bedeutung wohl eines jeden wichtigen römischen Ortes kann man aus seiner geogra-
phischen Lage begründen. Bei Vindonissa diesen Gründen nachzugehen, bietet einen ganz
besonderen Reiz. Kaum eine Stelle der Schweiz scheint besser geeignet für das Heraus-
wachsen eines Verkehrszentrums, einer prädestinierten Kapitale, als das Hochplateau an
der Reußmündung. Hier fließen in engster Nachbarschaft die Wasser fast des ganzen
schweizerischen Mittellandes und eines Großteils der Alpen zusammen. In nächste Nähe
des Genfersees reichen die Wasseradern der Aare, die Reuß schlägt ihre Breschen in das
unwirtliche Zentralmassiv des Gotthards, die Limmat berührt in der Seez bei Sargans nahezu
den Rhein. Und nur drei Wegstunden unterhalb Vindonissa bringt dieser das Wasser des
weitverzweigten Bündnerlandes, Vorarlbergs und Südschwabens. Den Wasseradern folgen
seit uralter Zeit die Verkehrsstraßen. Die große Längsstraße vom Genfer- zum Bodensee,
in weiteren Rahmen gefaßt, von der Rhone zur Donau, folgt der Aare am Fuße des Jura;
den kürzesten Weg vom Mittelrhein in die Mailändische Tiefebene weist die Reuß, und dem
alten Handelsweg aus dem Rheinland an die Adria öffnet die Limmat das Tor zu den leicht
begehbaren Bündnerpässen. Der tiefste Punkt des schweizerischen Mittellandes, das
Sammelbecken all der Wasserströme, ist auch der Schnittpunkt der drei großen Ver-
kehrsstraßen. Hier treffen sich die Boten der Völker aus allen Windrichtungen, hier fließen
die Güter zusammen, hier ist der Platz für ein Handelsemporium; hier kann aber auch mit
einem Griff der Verkehr nach allen Seiten gefaßt werden. Ein Ausweichen gab es hier
in alten Zeiten nicht; denn ein merkwürdiges Zusammentreffen hatte es gefügt, daß hier
auch die einzige leicht überbrückbare Stelle am Unterlauf der Aare sich befand, die Fels-
schlucht bei ,,Brugg“. Schon aus diesen Gründen mußten die Römer ihr militärisches
Zentrum am Oberrhein hierher verlegen und von dem keltischen Oppidum an der Spitze
der Landzunge zwischen Aare und Reuß Besitz ergreifen.
Ein zweites kam hinzu: Wie ein mächtiges Bollwerk liegt die Jurakette vor dem frucht-
baren Mittelland, und wo sie niedriger wird, legt sich schützend der Wassergraben des
Rheins davor. Es war eine von Natur geschaffene Festung gegen das in unbekannter Ferne
sich verlierende Germanien im Norden. Und da lag, von der Aare schroff in die Kalkstein-
ketten eingesägt, ein breites Tor, das neben dem Flusse beiderseits Platz genug bot für
bequeme Straßen (Taf. 1, 1 rechts). Dies Tor galt es zu bewachen. Es bildete nicht nur den
Eingang ins helvetische Mittelland, sondern bot auch eine breite Basis für Ausfälle ins
weitverzweigte Schwarz waldgebiet. Wie ein sprungbereites Raubtier in seiner Höhle,
so lag die römische Legion in ihrem Lager hinter der schützenden Jurakette am offenen
Tor und beherrschte die Gegend vom Rheinknie unterhalb Augst bis an die Donauquellen.
Den hier gefährlich einspringenden Winkel der römischen Grenze und den darin liegenden
alten Rheinübergang oberhalb des Aareeinflusses bei Tenedo (Zurzach) bewachte und
verstärkte wiederum Vindonissa.
Vindonissas Lage läßt sich somit ganz aus den allgemeinen und den zu Beginn unserer Zeit-
rechnung im besondern vorliegenden geographischen Gegebenheiten begründen. Wenn
die Römer darangingen, den Oberrhein als Reichsgrenze einzurichten und durch ein mili-

Röm.-Germ. Forschungen X.

1

1
 
Annotationen