C. Die Bauten außerhalb des Lagers.
1. Das Amphitheater.
Die Siedelung außerhalb des Lagers ist noch so wenig planmäßig erfaßt, daß von einem
systematischen Zusammenhang bei der Darstellung dieses Abschnittes abgesehen werden
muß und höchstens die Wichtigkeit der einzelnen Objekte für die Reihenfolge ausschlag-
gebend sein kann. An die erste Stelle gehört aus vielen Gründen das Amphitheater (Taf. 24 f.).
Es ist heute Yindonissas größtes und schönstes Baudenkmal, das die Besucher von weither
anzieht und mit seinen einfachen und doch großzügigen, harmonisch geschlossenen Bau-
linien immer wieder einen starken Eindruck hinterläßt (Taf. 25,1). Es ist Yindonissas äl-
teste Ruine insofern, als es allein als solche eine Geschichte hat. Es ist das Wahrzeichen
der modernen Yindonissaforschung; denn um seine Aufdeckung und Erhaltung entbrannte
seinerzeit der ,,Kampf um Vindonissa“, an ihm erstarkte die Gesellschaft Pro Vindonissa.
Im Folgenden sei zunächst über die Geschichte der Ruine das Wissenswerte zusammen-
gestellt.
Die älteste ‘Urkunde’ für das Vorhandensein einer Amphitheaterruine ist der Flurname,
den bis ans Ende des 19. Jahrhunderts die als runde Mulde im Gelände sich abzeichnende,
verschüttete Arena trug: ,,Bärlisgrueb“. Heuberger hat in seinem Führer durch das Amphi-
theater 1) in anschaulicher Weise die Etymologie und die literarischen Belege dieses Wortes
auf gezeichnet. Er publiziert 2) eine Urkunde von Schultheiß und Rat zu Brugg vom
5. August 1457, ein Zehntabkommen zwischen Königsfelden und dem Leutpriester von
Brugg enthaltend, in der ein Zehntacker auf geführt wird: ,,stost herab an die strass ob
berlissgrüb“, und ein zweiter: „stosst herab an den Weg ob berlissgrüb“. Zwei weitere
liegen unterhalb. Das ist die erste schriftliche Erwähnung wenigstens der Stelle des Amphi-
theaters. Da kein Acker in der Bärlisgrube erwähnt ist, schließt Heuberger daraus mit
Recht, daß diese damals noch, unbestellbar war. Der erste Teil des mittelhochdeutschen
Ausdruckes berlissgruob geht nach Heuberger zurück auf althochdeutsch berolass und heißt
Bärengelaß, Bärenzwinger. Er wurde von den ins römische Reich eindringenden Germanen
vielfach den Amphitheatern beigelegt, so z. B. in Capua, wo der Name später ins Italie-
nische übergegangen ist: Mittelalterlich Berolais, Berolasis, Berolassi ist heute zu li Viri-
lasci geworden. In der Kölner Mundart hieß das dortige Amphitheater Berlich, in der
Augsburger Perlach. Gerade an diese deutschen Formen anknüpfend hat aber neuerdings
Friedrich Kluge 3) das Wort von berleich = Bärenspiel abgeleitet, was der Sache noch näher
kommt. Daß als hervorstechendste wilden Tiere der Amphitheater von den Germanen die
Bären genannt werden, mag eine richtige geschichtliche Erinnerung enthalten; denn be-
sonders in den nördlichen Teilen des römischen Reiches werden die einheimischen Bestien,
von denen die stärksten die Bären darstellten, viel häufiger für Tierhatzen verwendet
worden sein als die exotischen, nur teuer zu bekommenden, wie z. B. die Löwen, die sich
68
x) Das Amphitheater Vindonissa (1928) lOf.
2) A. a. O. 28 f.
3) Deutsche Sprachgeschichte (1920) 139.
1. Das Amphitheater.
Die Siedelung außerhalb des Lagers ist noch so wenig planmäßig erfaßt, daß von einem
systematischen Zusammenhang bei der Darstellung dieses Abschnittes abgesehen werden
muß und höchstens die Wichtigkeit der einzelnen Objekte für die Reihenfolge ausschlag-
gebend sein kann. An die erste Stelle gehört aus vielen Gründen das Amphitheater (Taf. 24 f.).
Es ist heute Yindonissas größtes und schönstes Baudenkmal, das die Besucher von weither
anzieht und mit seinen einfachen und doch großzügigen, harmonisch geschlossenen Bau-
linien immer wieder einen starken Eindruck hinterläßt (Taf. 25,1). Es ist Yindonissas äl-
teste Ruine insofern, als es allein als solche eine Geschichte hat. Es ist das Wahrzeichen
der modernen Yindonissaforschung; denn um seine Aufdeckung und Erhaltung entbrannte
seinerzeit der ,,Kampf um Vindonissa“, an ihm erstarkte die Gesellschaft Pro Vindonissa.
Im Folgenden sei zunächst über die Geschichte der Ruine das Wissenswerte zusammen-
gestellt.
Die älteste ‘Urkunde’ für das Vorhandensein einer Amphitheaterruine ist der Flurname,
den bis ans Ende des 19. Jahrhunderts die als runde Mulde im Gelände sich abzeichnende,
verschüttete Arena trug: ,,Bärlisgrueb“. Heuberger hat in seinem Führer durch das Amphi-
theater 1) in anschaulicher Weise die Etymologie und die literarischen Belege dieses Wortes
auf gezeichnet. Er publiziert 2) eine Urkunde von Schultheiß und Rat zu Brugg vom
5. August 1457, ein Zehntabkommen zwischen Königsfelden und dem Leutpriester von
Brugg enthaltend, in der ein Zehntacker auf geführt wird: ,,stost herab an die strass ob
berlissgrüb“, und ein zweiter: „stosst herab an den Weg ob berlissgrüb“. Zwei weitere
liegen unterhalb. Das ist die erste schriftliche Erwähnung wenigstens der Stelle des Amphi-
theaters. Da kein Acker in der Bärlisgrube erwähnt ist, schließt Heuberger daraus mit
Recht, daß diese damals noch, unbestellbar war. Der erste Teil des mittelhochdeutschen
Ausdruckes berlissgruob geht nach Heuberger zurück auf althochdeutsch berolass und heißt
Bärengelaß, Bärenzwinger. Er wurde von den ins römische Reich eindringenden Germanen
vielfach den Amphitheatern beigelegt, so z. B. in Capua, wo der Name später ins Italie-
nische übergegangen ist: Mittelalterlich Berolais, Berolasis, Berolassi ist heute zu li Viri-
lasci geworden. In der Kölner Mundart hieß das dortige Amphitheater Berlich, in der
Augsburger Perlach. Gerade an diese deutschen Formen anknüpfend hat aber neuerdings
Friedrich Kluge 3) das Wort von berleich = Bärenspiel abgeleitet, was der Sache noch näher
kommt. Daß als hervorstechendste wilden Tiere der Amphitheater von den Germanen die
Bären genannt werden, mag eine richtige geschichtliche Erinnerung enthalten; denn be-
sonders in den nördlichen Teilen des römischen Reiches werden die einheimischen Bestien,
von denen die stärksten die Bären darstellten, viel häufiger für Tierhatzen verwendet
worden sein als die exotischen, nur teuer zu bekommenden, wie z. B. die Löwen, die sich
68
x) Das Amphitheater Vindonissa (1928) lOf.
2) A. a. O. 28 f.
3) Deutsche Sprachgeschichte (1920) 139.