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MARTIN SCHONGAUER 201

den abweichenden Charakter der Madonna gegenüber den anderen erklären zu können
und findet darin deutlich den Geist der kölnischen Schule. Jener Stich ist zuverlässig
später entstanden und umgekehrt von dem Schongauers beeinflußt, i Übrigens setzt
auch Wendland den letzteren noch vor die Madonna mit dem Papagei, also an den
Anfang der Marienbilder. Er findet,2 daß die Engel gegen die auf der Madonna im
Rosenhag von 1473 noch große Mängel aufweisen, daß aber die ganz gleiche Art, wie
sie die Krone halten, beweise, sie sei im Anschluß an den Kupferstich gemalt, wonach
dieser vor 1473 zu datieren wäre.

H. Schneider sagt, daß sich Wendlands Hypothese der Abhängigkeit Schongauers
von dem angeblich kölnischen Stich bei direktem Vergleich beider Blätter sofort er-
ledige. Das ist, wie gesagt, auch meine Meinung, doch vermag ich nicht mit ihm in
einer Komposition des Rogier-Kreises, von der Winkler3 mehrere Beispiele abbildet,
fast genau dasselbe Motiv wie auf dem Stich Schongauers zu finden. Im Typus erinnert
die Maria, wie Schneider allerdings richtig hervorhebt, an die bei Winkler Taf. XI.
abgebildete Madonna nach Rogier in Donaueschingen.

Jedenfalls ist die von Engeln gekrönte Madonna seltener als die anderen Marien-
bilder Schongauers und ich kenne davon nur zwei Drucke ersten Ranges in Berlin und
London. Auffällig erscheint es, daß sie weder in Kupferstich noch in Holzschnitt
kopiert wurde. Nur die Engel mit der Sternenkrone haben sich augenscheinlich der
Beachtung weiterer Kreise bei den Zeitgenossen erfreut. Schon 1488 sind sie gegen-
seitig auf dem Holzschnitt mit König Stephan in Joh. de Thurocz' Chronica Hunga-
rorum4 kopiert. — Auch im Graduale des Illuminators Matthaeus im Kunsthistorischen
Museum zu Wien6 schweben sie auf p. 1 über der nach Nr. 39 kopierten Madonna. — Ein
drittes Mal finden sie sich gegenseitig über der auf der Mondsichel stehenden Madonna
auf einem Holzschnitt0 in Jesuida Hieronymi Paduani, Basel, Nicolaus Lamparter
1505. — Endlich schweben sie mit einer anderen Krone über einer Madonna auf der
Mondsichel auf einem Bilde von Marcellus Coffermans in der Sammlung Johnson zu
Philadelphia.7

1 Beinstellung und Fußhaltung des Kindes sind direkt gegenseitig über-
nommen. In freier Weise hat dann der Hausbuch-Meister eine Reihe anderer Motive
aus Schongauers Stich entlehnt, z. B. Kopf- und Handhaltung der Madonna,
deren Haar größtenteils von dem hochgezogenen Mantel verdeckt wird, die zwölf

, strahlenden Sterne der Krone, die schwebenden Engel, Mondsichel und Flammen-
glorie.

2 A. a. O. p. 117.

3 Der Meister von Flemalle und Rogier van der Weyden Taf. XIV.

4 Brünn 20. März 1488 fol. 33. und in der Augsburger Ausgabe desselben Jahres
fol. 35. Schreiber 4394 und 4395.

5 Ms. 5011. Jahrb. d. k. S. d. a. K. V. (1887) Teil II. p. X. Kupferlichtdruck vor
p. VI.

6 116: 86 mm. Einf. Strichätzung bei Bernoulli und Heitz, Basler Büchermarken
(Straßburg 1895) p. 21. Fig. 23 a und bei Heckethorn, The Printers of Basle (London
1897) p. 163.

7 Valentiner, Cat. Johnson II. Nr. 396. — Kornätzung Nr. 396.

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