beweist eine häufig erzählte Anekdote, der, wie jeder guten ihresgleichen, zum mindesten
die innere Wahrheit nicht abzustreiten ist. Im Jahre 1527 hatte Luther eine Schrift er-
scheinen lassen, die die Frage untersuchte, ,,ob Kriegsleute auch von seligem Stand sein
könnten“. Auf einigen Exemplaren dieser Schrift fehlte der Verfassername. Ein solches
war in Herzog Georgs Hände geraten oder gespielt worden. Während Cranach in Dresden
arbeitete, zeigte ihm der Herzog das Büchlein mit den herausfordernden Worten: „Siehe,
Lukas, du rühmst mir immer deinen Mönch zu Wittenberg, den Luther, wie er so gelehrt
sei und allein wohl reden und gute Bücher deutsch schreiben könne; du irrst aber hierin
wie in so vielen anderen Stücken. Hier hab’ ich ein Büchlein, das ist so gut und besser, als
es der Luther nimmermehr machen könnte!“ Cranach, nicht faul, wies ihm sofort ein anderes
Exemplar, auf dem Luther als der Verfasser stand, und der verdutzte Bärtige knurrte, es
sei jammerschade, daß dieser verkehrte Mönch ein so schönes Buch habe schreiben können . . .
Im Dom zu Meißen ist noch heute, freilich schlecht erhalten, der 1534 datierte Altar
Abbildungen zu sehen, den der Maler für Herzog Georg geschaffen hat. Auf der Mitteltafel ist Christus
77,78 als Schmerzensmann dargestellt mit Maria und Johannes; über der Gruppe ein dichter
Reigen von Engelsknaben mit den Marterwerkzeugen. Auf den Flügeln ist, je begleitet
von ihren Schutzheiligen, das Ehepaar der Stifter kniend abgebildet — links Herzog
Georg. Trotz des mäßigen Zustandes wirkt das Werk auch heute noch durch die Einheitlich-
keit der Komposition und die schlichte, eindringliche Harmonie seiner Farben. Ein strenger,
eigensinniger Ernst spricht aus dem Blick des alten Herrn und mehr noch aus dem kräftigen,
breitgeschlossenen, vom grauen Bart umbuschten Mund. Beredter noch zeugt ein Bildnis
Abbildung 79 GeorgsinMünchen, das ihn in halber Figur zeigt, von der heiß aufgrollenden Heftigkeit
des Fürsten, die seinem Porträtisten nur zu vertraut sein mochte. Das Münchner Bildnis
ist dem Meißner Stifterbild nah verwandt. Nur der Bart fällt länger und schütterer über die
breite Halskette. Es ist einige Jahre später gemalt, wohl nach 1537. Wenige Jahre danach,
am 17. April 1539, starb Georg der Bärtige nach nur kurzer Unpäßlichkeit. Über dem Aus-
gang seines rastlosen Lebens lag schattend die Sorge um die Nachfolge. Von seinen Kindern
war ihm nur ein geistesschwacher Sohn geblieben. Alle Versuche, Land und Thron der
eigenen Nachkommenschaft und der alten katholischen Lehre zu bewahren, waren fehl-
geschlagen. Noch am Abend des Todestages zog der glücklichere Bruder aus Freiberg unter
dem Zuruf des Volkes in Dresden ein und ergriff Besitz von der Meißner Mark. Auf Wunsch
Heinrichs des Frommen war bei der Erbhuldigung in Leipzig Luther an der Spitze der
Wittenberger Professoren zugegen. Der Sieg der Reformation auch in den albertinischen
Sachsenlanden war entschieden.
So schroff sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Geister schieden, so bedrohliche
Formen die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des alten und des neuen Glaubens
annahm — im Verkehr der Menschen untereinander, wie im inneren Leben des einzelnen,
gab es noch immer Berührungen und Beziehungen genug, in denen das Unvereinbare sich
friedlich begegnete oder doch recht und schlecht vertrug. Was in einem Kunstwerk die
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die innere Wahrheit nicht abzustreiten ist. Im Jahre 1527 hatte Luther eine Schrift er-
scheinen lassen, die die Frage untersuchte, ,,ob Kriegsleute auch von seligem Stand sein
könnten“. Auf einigen Exemplaren dieser Schrift fehlte der Verfassername. Ein solches
war in Herzog Georgs Hände geraten oder gespielt worden. Während Cranach in Dresden
arbeitete, zeigte ihm der Herzog das Büchlein mit den herausfordernden Worten: „Siehe,
Lukas, du rühmst mir immer deinen Mönch zu Wittenberg, den Luther, wie er so gelehrt
sei und allein wohl reden und gute Bücher deutsch schreiben könne; du irrst aber hierin
wie in so vielen anderen Stücken. Hier hab’ ich ein Büchlein, das ist so gut und besser, als
es der Luther nimmermehr machen könnte!“ Cranach, nicht faul, wies ihm sofort ein anderes
Exemplar, auf dem Luther als der Verfasser stand, und der verdutzte Bärtige knurrte, es
sei jammerschade, daß dieser verkehrte Mönch ein so schönes Buch habe schreiben können . . .
Im Dom zu Meißen ist noch heute, freilich schlecht erhalten, der 1534 datierte Altar
Abbildungen zu sehen, den der Maler für Herzog Georg geschaffen hat. Auf der Mitteltafel ist Christus
77,78 als Schmerzensmann dargestellt mit Maria und Johannes; über der Gruppe ein dichter
Reigen von Engelsknaben mit den Marterwerkzeugen. Auf den Flügeln ist, je begleitet
von ihren Schutzheiligen, das Ehepaar der Stifter kniend abgebildet — links Herzog
Georg. Trotz des mäßigen Zustandes wirkt das Werk auch heute noch durch die Einheitlich-
keit der Komposition und die schlichte, eindringliche Harmonie seiner Farben. Ein strenger,
eigensinniger Ernst spricht aus dem Blick des alten Herrn und mehr noch aus dem kräftigen,
breitgeschlossenen, vom grauen Bart umbuschten Mund. Beredter noch zeugt ein Bildnis
Abbildung 79 GeorgsinMünchen, das ihn in halber Figur zeigt, von der heiß aufgrollenden Heftigkeit
des Fürsten, die seinem Porträtisten nur zu vertraut sein mochte. Das Münchner Bildnis
ist dem Meißner Stifterbild nah verwandt. Nur der Bart fällt länger und schütterer über die
breite Halskette. Es ist einige Jahre später gemalt, wohl nach 1537. Wenige Jahre danach,
am 17. April 1539, starb Georg der Bärtige nach nur kurzer Unpäßlichkeit. Über dem Aus-
gang seines rastlosen Lebens lag schattend die Sorge um die Nachfolge. Von seinen Kindern
war ihm nur ein geistesschwacher Sohn geblieben. Alle Versuche, Land und Thron der
eigenen Nachkommenschaft und der alten katholischen Lehre zu bewahren, waren fehl-
geschlagen. Noch am Abend des Todestages zog der glücklichere Bruder aus Freiberg unter
dem Zuruf des Volkes in Dresden ein und ergriff Besitz von der Meißner Mark. Auf Wunsch
Heinrichs des Frommen war bei der Erbhuldigung in Leipzig Luther an der Spitze der
Wittenberger Professoren zugegen. Der Sieg der Reformation auch in den albertinischen
Sachsenlanden war entschieden.
So schroff sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Geister schieden, so bedrohliche
Formen die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des alten und des neuen Glaubens
annahm — im Verkehr der Menschen untereinander, wie im inneren Leben des einzelnen,
gab es noch immer Berührungen und Beziehungen genug, in denen das Unvereinbare sich
friedlich begegnete oder doch recht und schlecht vertrug. Was in einem Kunstwerk die
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