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AN DER SPITZE DER WERKSTATT

Früher als in Deutschland hatte sich jenseits der Alpen die gesellschaftliche Geltung
der bildenden Künstler durchgesetzt. Es lag an der geschichtlichen Entwicklung, an
dem verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Gefüge, nicht zuletzt an der durch
beide bedingten Sinnesart, daß der Mann von schöpferischer künstlerischer Begabung
in Deutschland nur langsam und allmählich zu einer bürgerlichen Stellung gedieh, die seiner
Leistung entsprach oder doch nicht in allzu schreiendem Gegensatz zu ihr stand. Bekannt-
lich hat Dürer, der aus eigener Erfahrung wußte, welche Wertschätzung seine Berufsgenossen
in Italien genossen, den Unterschied nicht ohne Bitterkeit empfunden und ausgesprochen.
Eng war der deutsche Künstler in die vom Mittelalter überkommene Zunftordnung ein-
gebaut, galt als Handwerker und wurde als Handwerker gewertet. Erst im Gefolge des
Humanismus, der auch der schöpferischen Persönlichkeit ihr Recht schuf, brach sich die
höhere Einschätzung Bahn. Erst auf der Höhe seines Schaffens genoß Dürer noch die
Früchte dieser Wandlung, die ihn aus der Gebundenheit der Werkstatt und des Gewerbes
zur Freiheit persönlicher künstlerischer Entfaltung emporhob.

Auch Cranach empfing gewiß seinen Anteil an dieser fortschreitenden höheren Geltung
deutschen Künstlertums. Sein Wesen jedoch und sein dadurch bestimmter Werdegang
brachten es mit sich, daß sich sein Aufstieg zu einer gesellschaftlichen Stellung, die seinem
Können und seinem Ruhm entsprach, anders vollzog und ein anderes Gesicht zeigte.
Wenn er sich auch in der weltbewegenden religiösen Frage mit entschlossenem Bekenntnis
auf die Seite des Neuen stellte und mit Herz und Hand der Reformation huldigte, seine
gemäßigte Natur wurzelte doch tief — wir sahen es — im mittelalterlichen Herkommen.
Unbedenklich, wie es Dürer wohl nie vermocht hätte, begab er sich in den festen höfischen
Dienst. Umgäaglich, gesellig und gewandt, wie wir ihn kennenlernten, schickte er sich
nicht bloß recht und schlecht in den täglichen Verkehr mit Fürsten und Herren, sondern
wußte, ohne sich etwas zu vergeben, der Vertrauensmann und Freund seiner sächsischen
Kurfürsten zu werden und mit einem heißblütigen Lutherfresser, wie dem Herzog Georg,
ebenso gut auszukommen wie mit einem Kardinal vom Stil Albrechts von Mainz. Gewissen-
haftigkeit, Umsicht, Sinn für praktische Geschäfte empfahlen ihn seinen Mitbürgern zum
Amt des Kämmerers und Bürgermeisters. Sein wachsender Wohlstand ermöglichte ihm den
Erwerb von Grundstücken und Häusern, der privilegierten Stadtapotheke, einer Druckerei
und eines Buchhandels, die er freilich, wie wir sahen, durch kundige Kräfte betreiben ließ,
aber doch beaufsichtigend leitete und nutzbar machte.
 
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