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Zweiter Abschnitt. Achtes Uaxitel.

beider aus diesem Bilde und seiner Jahreszahl herausgelesen hat, nur die
Bedeutung einer persönlichen, interessanten Vermuthung haben und es
wird fernerhin zu erforschen und zu beweisen übrig bleiben, inwieweit wir
in unserer „urkundlichen" Zeit solcher Hypothese gegenüber die älteste
und einzige Urkunde, die un^ von Cranach's Bildungsgange berichtet,
jenes Gunderanüsche Document in Kraft lassen dürfen, nach welchem
Cranach die Kunst bei seinem Vater erlernte? — Unabweisbar tritt bei
solchen Erörterungen die Vermuthung an uns heran, daß das fast leicht-
sinnige Kunsturtheil, womit man lange Zeit gewohnt gewesen ist, dem
Cranach alles zuzuschreiben, was einigermaßen den Stempel seiner Zeit
trägt, sehr nahe mit einem gewissen Bestreben verwandt sei, aus der
gewonnenen Masse dieses und jenes Gute zur Ausstattung eines anderen
Künstlers herauszugreifen. Können wir nun aber mit diesem Altarbilde
Cranach's Kunstthätigkeit für das Jahr 1529 nicht mit voller Gewißheit
abschließen, so bleiben trotzdem noch einige andere Werke zu erwühnen,
die mit ihrer unleugbaren Echtheit eine Ueberschau der Künstthätigkeit
Cranach's in diesem Jahre nicht minder würdig schließen können. Es ist
dies besonders die Darstellung eines alttestamentlichen Gegenstandes, den er
selber und mancher seiner Schüler wahrscheinlich mehrfach wiederholt hat,
der aber in zwei bekannten Exemplaren zu seinen ausgezeichnetsten Werken
zu rechnen ist, obgleich der Meister auch in diesen alttestamentlichen Bildern
der erwähnten phantastischen mittelalterlichen Verkleidung des Gegenstandes
nicht hat entsagen können. Es ist die Darstellung der Delila, die dem
in ihrem Schoße liegenden Simson die Haare abschneidet, ein Bild, das
uns mit dem Monogramm und der Jahreszahl 1529, in besonders schöner
Vollendung, namentlich auch seines landschaftlichen Theils, zunächst im
Rathhause zu Augsbnrg entgegentritt und dann in zweiter Linie kleineren
Umfangs und wenn auch das Zeichen tragend, doch weniger für Cranach's
vollstündige Eigenhändigkeit zeugend, in der Dresdner Galerie wieder-
kehrt? Außerdem tragen noch Cranach's Zeichen und die Jahreszahl 1529

* Schuchardt, I, S. 22 und II, S. 69 ff. hat nut seinem für Crauackss Leistuugeu
angeblich scharf geschulten Blick eine Beihilfe Cranach's au diesenr Bilde entschieden zurück-
gewiesen, es aber auch nnt Grünewald's Weise nicht ganz übereinstimmend gesunden.

^ Beim Jahre 1529 mag erwähnt werden, daß in diesem Jahre bei I. Thanner
in Leipzig erschien: „Flurheim vou Kytzingeu: Alle Kirchengesang vnd gebeth des
gantzen Jars von der heyligen Christlichen Kirchen angenommen vnd bisher ym löb-
lichen Brauch erhalten." 2 Theile mit 300 hübschen Holzschnitten angeblich nach
Cranach. Jn Wackernagel's Bibliographie, wo dieses Werk ausführlich beschrieben
wird, wird dieser Holzschnitte nicht gedacht.
 
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