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Dritter Abschnitt. 5iebentes Aapitel.

hatte eben mit ihm selber aufgehörh lebendig und wirkend zu sein? „Liebe
Käthe, deine Landsleute (die Meißner) haben mit meines gnüdigsten Herrn
Herren Rüthen über seine Chursiirstl. Gnaden eine Hundesketten gemacht
und werden nicht eher nachlassen, sie haben ihn denn verrathen," hatte
Luther zu seiner Hausfrau gesagt. Aber auch an seiner Hausfrau selber
sollte sich Lnther's Voraussicht hinsichtlich derjenigen erfüllen, die sein Erbe
zu vertreten hatten. Ein eigenthümliches Streiflicht auf die Wittenberger
Verhültnisse gewährt der Briefwechsel, welchen Melanchthon und Bugen-
hagen und andere derjenigen Männer, welche dem Herzen und dem Hause
Lutheüs am nüchsten gestanden, in Betreff seiner Witwe mit dem Chur-
fürsten führten, der in seiner Treue gegen das Andenken des großen Refor-
mators auch der Witwe und Familie desselben mit seiner Fürsorge nahe
bleiben wollte, während die genannten Männer nicht eben bemüht gewesen
zu sein scheinen, die fürsorglichen Absichten des Churfürsten, durch ihr über
Lutheüs Witwe abgelegtes Zeugniß und Urtheil, zu unterstützen? Man
machte ihr mancherlei Vorwürfe und beschuldigte sie besonders einer schlechten
Haushaltung, und glaubte sie im Jnteresse ihrer Kinder hinsichtlich der
Versiigung der ihr gegebenen Mittel so viel als möglich beschränken zu
müssen. Wenn man sich der Verhültnisse erinnert, welche im Ausgange
seines Lebens Luther's Ausenthalt in Wittenberg so vielfach verbittert
hatten, so ist es nicht leicht, aus dem Jnhalte jenes Briefwechsels bloß die
lebendige Fürsorge für Luther's hinterlassene Kinder, nicht auch zugleich ein
stilles Verlangen herauszulesen, ein Gefühl des Mißmuths über die Macht,
welche der todte Reformator während seiner Lebenszeit geübt hatte, der
wehrlosen Witwe entgelten zu lassen. Da Cranach gewissermaßen Luther's
Brautwerber gewesen und somit dieser Ehe nnd ihrer Veranlassung nüher
gestanden, als mancher andere von Luther's Freunden, so ist es zur Recht-
fertigung des Scharfblicks des welterfahrenen Mannes wohl der Mühe
werth, jene Urtheile über Luther's Witwe etwas näher in's Auge zu fassen.
Wenn sie einigermaßen begründet waren, so darf man nicht vergessen, daß
sie allerdings nicht geringe Mühe gehabt haben mag, nach außen hin den
Ruf und das Ansehen einer tüchtigen Wirthin zu erwerben und aufrecht

^ S. Ratzeberger's (a. a. O. Absch. 10), „^'nckicrinm von der Nothwehr",
S. 233 ff. Vergl. Luther's treffliches Schreiben an den Churfürsten Johann 1530
(und 1532), „die Gegenwehr in Religionssachen". Brun's Beiträge zu kritischen
Bearbeitung unbenutzter Handschristen w., II, S. 154, dazu de Wette, III, S. 560,
IV, S. 335 und Neudecker-Ratzeberger, Abth. IV.

2 Vergl. die Briefe Melanchthon's, Bugenhagen's rc. an den Churfürsten im Jahre
1546 rc. in Förstemann's N. Mittheilungen.
 
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