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Zweites Rapitel.
dieselbe war, als sie sich mit Cranach vermühlte, sowie alles weitere über
ihre Familie, darüber können in Gotha weder kirchliche noch stadträthliche
Urkunden irgend welche Nachricht geben, da bei dem großen Brande und
den Kriegsschäden, von welchen Gotha 1545, 1568, 1632, 1646, 1665
heimgesucht worden ist, unendlich viel Urkunden, Bücher und sonstige Nach-
richten untergegangen sind. Keine Grabschrift sagt uns, wie bei fast allen
anderen Cranach'schen Familiengliedern, ihr Geburtsjahr, und wir ersehen
nur aus einem poetischen Nachruf, den 1541 bei ihrem Tode Johann
Richius ihr widmete, daß sie eine trefsliche Hausfrau, eine treue Gattin
und liebende Mutter gewesen und daß sie bereits hochbetagt war, als im
genannten Jahre der Tod sie abries. Sie mag ungefähr im Jahre 1480
geboren sein nnd nngefähr 1501 oder 1502 mit Lucas Cranach sich ver-
mühlt haben. Verfchiedene Biographen Cranaclsis haben seine Gattin zum
Gegenstande von allerlei sonderbaren Fabeln gemacht. Nach einigen war
sie so häßlich, daß Cranach sich nie entschließen konnte, sie zu portraitiren
— und wirklich ist auch kein einziges Portrait von ihr auf die Nach-
welt gekommen — nach anderen war sie dagegen so schön, daß sie ihrem
Gatten für seine Frauengestalten Even, Madonnen u. s. w. zum Modell
dienen mußte und Cranach in Folge dessen Anstand nahm, durch ein wirk-
liches Portrait seiner Gattin das Familiengeheimniß seines Studios der
Welt zu verrathen. Das Altarflügelbild in der Wittenberger Stadt-
kirche hat dieser Sage insosern Nahrung gegeben, als man die auf dem
rechten, die Taufe darstellenden Flügel dem Beschauer in ziemlich breiter
Weise den Rücken zukehrende Frau für die Gattin des Künstlers erklärt
hat. Man erzählt, sie habe gewünscht, unter die zahlreiche Versamm-
lung der Wittenberger angesehenen Frauen aufgenommen zu werden, die
in diesem Bilde den Taufstein umgeben, an welchem Melanchthon die
Taufhandlnng vollzieht, und ihre zum Theil sehr hübschen Gesichter dem
Beschauer zukehren, der Künstler habe ihr aber in seiner eheherrlichen
Laune diesen Wunsch nur in der angegebenen Weise erfüllt, die ihr
Antlitz dem Beschauer entzieht und nur ihren von breitem Faltenwurf
verhüllten Rücken den Mittelpunkt des Vordergrundes fiillen lüßt. Es
könnte diese Auslegung schon deshalb ihre Berechtigung haben, weil
man annehmen darf, daß den Künstler nur Eigensinn oder irgend ein
aber von dem ursprünglichen Gebäude, das bei dem großen Gothaischen Brande im
August 1632 mit zerstört wurde, wohl nur noch den großen massiven bei jenem Brande
unversehrt gebliebenen Thorweg mit dem Wappen Brück's und Cranach's. Es wurde
später städtisches Eigenthum und befand sich darin eine höhere Töchterschule nebst Woh-
nungen mehrerer Lehrer.
Zweites Rapitel.
dieselbe war, als sie sich mit Cranach vermühlte, sowie alles weitere über
ihre Familie, darüber können in Gotha weder kirchliche noch stadträthliche
Urkunden irgend welche Nachricht geben, da bei dem großen Brande und
den Kriegsschäden, von welchen Gotha 1545, 1568, 1632, 1646, 1665
heimgesucht worden ist, unendlich viel Urkunden, Bücher und sonstige Nach-
richten untergegangen sind. Keine Grabschrift sagt uns, wie bei fast allen
anderen Cranach'schen Familiengliedern, ihr Geburtsjahr, und wir ersehen
nur aus einem poetischen Nachruf, den 1541 bei ihrem Tode Johann
Richius ihr widmete, daß sie eine trefsliche Hausfrau, eine treue Gattin
und liebende Mutter gewesen und daß sie bereits hochbetagt war, als im
genannten Jahre der Tod sie abries. Sie mag ungefähr im Jahre 1480
geboren sein nnd nngefähr 1501 oder 1502 mit Lucas Cranach sich ver-
mühlt haben. Verfchiedene Biographen Cranaclsis haben seine Gattin zum
Gegenstande von allerlei sonderbaren Fabeln gemacht. Nach einigen war
sie so häßlich, daß Cranach sich nie entschließen konnte, sie zu portraitiren
— und wirklich ist auch kein einziges Portrait von ihr auf die Nach-
welt gekommen — nach anderen war sie dagegen so schön, daß sie ihrem
Gatten für seine Frauengestalten Even, Madonnen u. s. w. zum Modell
dienen mußte und Cranach in Folge dessen Anstand nahm, durch ein wirk-
liches Portrait seiner Gattin das Familiengeheimniß seines Studios der
Welt zu verrathen. Das Altarflügelbild in der Wittenberger Stadt-
kirche hat dieser Sage insosern Nahrung gegeben, als man die auf dem
rechten, die Taufe darstellenden Flügel dem Beschauer in ziemlich breiter
Weise den Rücken zukehrende Frau für die Gattin des Künstlers erklärt
hat. Man erzählt, sie habe gewünscht, unter die zahlreiche Versamm-
lung der Wittenberger angesehenen Frauen aufgenommen zu werden, die
in diesem Bilde den Taufstein umgeben, an welchem Melanchthon die
Taufhandlnng vollzieht, und ihre zum Theil sehr hübschen Gesichter dem
Beschauer zukehren, der Künstler habe ihr aber in seiner eheherrlichen
Laune diesen Wunsch nur in der angegebenen Weise erfüllt, die ihr
Antlitz dem Beschauer entzieht und nur ihren von breitem Faltenwurf
verhüllten Rücken den Mittelpunkt des Vordergrundes fiillen lüßt. Es
könnte diese Auslegung schon deshalb ihre Berechtigung haben, weil
man annehmen darf, daß den Künstler nur Eigensinn oder irgend ein
aber von dem ursprünglichen Gebäude, das bei dem großen Gothaischen Brande im
August 1632 mit zerstört wurde, wohl nur noch den großen massiven bei jenem Brande
unversehrt gebliebenen Thorweg mit dem Wappen Brück's und Cranach's. Es wurde
später städtisches Eigenthum und befand sich darin eine höhere Töchterschule nebst Woh-
nungen mehrerer Lehrer.