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Ludwig, Alfred
Die Nachrichten des Rig und Atharvaveda über Geographie, Geschichte, Verfaszung des Alten Indien — Prag, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.48367#0044
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IV. Der Staat der Ärya.
§. 19. Die kästen. — Brahmanische anschauungen bereits im Veda dichterisch behandelt.
Nachdem wir die einzelnen Äryavölker und ihren gesammtgegensatz gegen die urein-
woner beleuchtet haben, kommen wir nimmer auf die frage: wie war die gesell schäft im
Äryastaate organisiert? oder gerade herauszgesagt: gab es im zweiten jartausend vor
unserer Zeitrechnung bereits kästen im Äryastaate? Wir wiszen, dasz mit auszname
weniger unter den hervorragenden gelerten allgemein die ansicht gilt, die kasteneinrichtung
gehöre der nachvedischen zeit an. Doch hat schon Prof. Haug darauf hingewiesen, dasz die
käste der B rahm an a bereits damals in sich müsze abgeschloszen gewesen sein. Disz scheint
uns so evident so auf schritt und tritt im Veda erkennbar, dasz nur das bestreben die
anschauungen und Verhältnisse jener periode möglichst gründlich verschieden von denen der
spätem zu denken und darzustellen, die förmliche abneigung spätere erscheinungen in
andeutungen des Veda überliefert zu finden es uns erklärlich macht, dasz man biszher in
diesem punkte es noch zu so wenig klarheit gebracht hat. Wir werden finden, indem wir
einfach ohne vorgefaszte meinung das material prüfen, dasz die vier kästen im wesentlichen
ganz so wie in der spätem zeit schon im zweiten jartausend vor Chr. geb. bestanden und
werden auch im stände sein die unterscheidenden momente klar zu machen.
Fragen wir uns überhaupt, wie denn eigentlich die Sache liegt, was das masz des von
vornherein zu zugestehnden ist, so werden wir (natürlich mit völliger umgehung der im
Piirusasükta Rigv. X. 90. vorkomenden aufzälung der vier kästen und ihres Ursprungs ausz
dem Purusa d. i. ausz Brahma) vorerst constatieren müszen, dasz in den ältesten Brähmana
bereits also mindestens im 12. jarhunderte vor unserer Zeitrechnung die kästen bereits voll-
kommen organisiert erscheinen. Da nun die anname einer art Interregnum etwa von ein par
jarhunderten (denn ein solches wäre wol nötig um die feste consolidirung diser einrichtung
zu erklären) zwischen Vedadichtung und Brähmana unmöglich angenommen werden kann, so
ergibt sich, dasz es eine zeit der erstem gegeben haben musz, in der die kasteneinrichtung
bereits in irgend einer von der spätem nicht allzu verschiedenen weise bestand. Es versteht
sich allerdings von selbst, dasz das litterarische genus der Vedahymnendichtung älter sein
musz als die abfaszung der Brähmana; und niemand wird so töricht sein zu behaupten, man
hätte die Vedenhymnen gedichtet für die liturgischen bedürfnisse und erfordernisse wie sie
uns im Brähmana formuliert vorligen; aber ebenso ligt es auf der hand, dasz das alter der
litteraturgattungen nicht auch das relative alter der denselben angehörigen einzelnen produc-
tionen bestimmt, dasz also nicht weil die Vedadichtung in weit älterer zeit als die abfaszung
von Brähmana’s begann, deshalb auch jeder abschnitt des Veda älter sein müsze als das
älteste stück des ältesten Brähmana. Da bei diser erörterung der Atharva und Yajus ganz
auszer aller frage sind, so wollen wir nur einen beweis für das gesagte ausz dem Aigveda
bringen. Die zusammengehörigen abschnitte 51. 52. 53. des zehnten buches behandeln einen
liturgischen mythus, der erklären soll, warum beim Agnistomaopfer gewisse vor- und nach-
darbringungen (die prayäjä und die anuyäjä) für den feuergott bestimmt sind. Agni flüchtet
weg vom opfer, weil er fürchtet auszgelöscht zu werden; die götter verfolgen suchen und finden
 
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