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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.29616#0274

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260

Fünftes Buch.

Römische

Bauten.

Toskanische

Bauten.

Dom zu Pisa.

Was aber allen italienischen Bauten dieses Styles gemeinsam blieb, das ist
vornehmlich der Mangel eines mit dem Kirchenkörper verbundenen Thurm-
baues. Die Facade schliesst gewöhnlich in der durch die drei Langschiffe
bedingten Form, die dann in verschiedenartiger Weise, entweder antikisi-
rend oder nach romanischer Art mit Lisenen, Halbsäulen und Bogenfriesen,
gegliedert wird. Manchmal wird die Facade indess, ohne diese Rücksicht
auf die Konstruktion des Langhauses , höher und reicher als eigentliches
Dekorationsstück vorgesetzt. In einigen Gegenden gewinnt sodann ein
mächtiger Kuppelthurm auf der Kreuzung eine besondre und zwar zu sehr
überwiegende Bedeutung für die Erscheinung des Langhauses.

In Mittelitalien

lassen sich auf den ersten Blick zwei verschiedene Baugruppen sondern.
Der Mittelpunkt der einen ist Rom. Hier wird am wenigsten eigne Erfin-
dungskraft in Bewegung gesetzt. Man baut bis zum 13. Jahrh. in jener
nachlässigen Weise, welche sich der antiken Ueberreste sorglos bediente,
fort, und weiss sich, wo endlich diese Quelle versiegt, durch eigne Schöpfer-
kraft nicht zu helfen. Nur die Verhältnisse des ganzen Gebäudes ändern
sich, wenn auch nicht eben zu Gunsten der Totalwirkung. Die Schiffe ver-
lieren an AVeite und Grösse, gewinnen dagegen an Höhe. Wie wenig man
zu neuen Resultaten gelangte, ist schon daraus zu erkennen, dass man
gegen Ausgang dieser Epoche wieder zur Architravbedeckung der Arkaden-
reihen zurückkehrte. So in S. Crisogono vom J. 1128, und in S. Maria
in Trastevere vom J. 1139. Eig-enthümlich interessant sind in dieser
Zeit gewisse Werke architektonisch-dekorativer Art, Tabernakel und Am-
bonen, an denen sich ein Studium und freies Nachbilden antiker Baukunst
geltend macht. Berühmt in solchen Arbeiten war die Künstlerfamilie der
Cosmaten. Vorzügliche AVerke dieser Art findet man in S. Lorenzo
vor Rom, S. Clemente und anderen römischen Kirchen. Etwas selbstän-
diger entfaltete sich die Architektur in gewissen nördlich von Rom gelege-
nen Städten, wo der Mangel an antiken Ueberresten zu erhöhter eigner
Thätigkeit nöthigte. Unter diesen Bauten ist die Kirche S. Maria zu
Toscanella vom J. 1206 die edelste.

Eine höhere monumentale Richtung gewann der Basilikenbau in Tos-
kana. Hier, wo ein hochsinniges Volk in Reichthum und Bildung blühte,
begnügte man sich nicht mit jener rohen römischen Bauweise. Schon der
Mangel antiker Reste führte bald auf eigne schöpferische Thätigkeit, deren
Grundlage jedoch auf dem Studium der AVerke des xAlterthumes beruhte.
Es wiederholt sich hier also , wenn auch in veränderter Art, die kultur-
geschichtlich interessante Thatsache, welche wir schon in altchristlicher Zeit
wahrnehmen, wo ebenfalls nicht Rom, sondern das nördlicher gelegene
Ravenna als Träger einer neuen selbständigen Entwicklung der Baukunst
hervortrat. Das Innere wurde in einfach klarer Weise durchgebildet, be-
sonders aber das Aeussere entsprechend durch reichen, vielfarbigen Marmor-
schmuck ausgestattet. In der Bildung des plastischen Details, der Kapitale
und Gesimse, schloss man sich den antiken Formen, manchmal mit feinem
Verständniss, an. Pisa, die mächtige Handelsstadt, ging hier mit ihrem
Dome voran, der 1063 nach einem glänzenden Siege über die Sicilianer
begonnen und durch den Baumeister Rainaldus ausgeführt wurde. Nicht
 
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