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regt sich in ailer Herzen. Die Hetäre triumphiert. Der Prediger merkt, daß
die Aufmerksamkeit seiner Hörer gestört ist. Er hebt mit der Hand die
Brauen hoch, die tief über seine Augen herabhängen, erblickt die Hetäre und,
von Zorn ergriffen, verwandelt er sie durch seine übernatürliche Macht in ein
Skelett, dem die Eingeweide noch in der Bauchhöhle hängen. Von Ekel er-
füllt wendet sich die Versammlung von der scheußlichen Erscheinung ab.
Die Hetäre selbst wird von Reue erfüllt. Sie bittet den Prediger um Ver-
zeihung. Dieser verwandelt sie dann auch in ihre frühere Gestalt zurück, und
nun hat die Ansprache, die er an seine erschütterten Zuhörer hält, vollen
Erfolg. Viele bekehren sich und erlangen die verschiedenen Grade der
Heiligkeit.
Eine Illustration dieser Geschichte erkenne ich in einem Fresko in dem
sogenannten Rotkuppelraum zu Qyzyl'. Hier finden wir rechts von einigen
Stifterfiguren einen Mönch dargestellt, der unter einem Baume auf einem
Throne sitzt und die typische Geste des Predigers zeigt. Rechts von ihm
finden sich vier Männer, im Vordergrund zwei sitzend, dahinter zwei stehend,
alle in weltlicher Tracht und mit zusammengelegten Händen. Während drei
der Männer nach links blicken, wendet der dem Prediger zunächststehende
Mann den Kopf nach rechts, offenbar, um die rechts an die Hörergruppe sich
anschließende Figur zu beobachten. Dies ist ein geschmücktes Weib mit ent-
blößtem Oberkörper, über dessen rechter Schulter ein Skelett bis zur Brust
sichtbar wird.
Die Deutung des Bildes aus der oben mitgeteilten Erzählung scheint
mir ohne weiteres einzuleuchten. Wenn der Künstler die Hetäre mit dem
Skelett dahinter dargestellt hat, so hat er gewissermaßen zwei zeitlich aufein-
anderfolgende Szenen der Geschichte nebeneinandergesetzt.
Von Le Coq ist durch die Darstellung an unsere mittelalterlichen Toten-
tanzbilder erinnert worden und Levi hatte die Inhaltsangabe der Erzählung mit
den Worten eingeleitet (a. a. O. S. 77): aQuel scenario dramatique, ä faire
pälir les fantaisies des Danses macabres, que cette lutte entre les seductions
d'une beaute venale et les ressources inepuisables de la Loi!« Das Zusammen-
treffen zeigt, wie nahe der Gedanke an die Totentänze liegt; der Nachweis des
wirklichen historischen Zusammenhangs dürfte freilich noch zu erbringen sein.
t Abbildungen bei Griinwedel, Altbuddhistische Kultstätten in Chinesisch-Turkistan, S. 8$,
A. von Le Coq, Buddhistische Spätantike in Mittelasien IV, Taf. 8 b, A. von Le Coq, Bilderatlas zur
Kunst und Kulturgeschichte Mittel-Asiens, S. 44, hg. 22 und S. 98, hg. 226.
 
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