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Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0020
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s wird vielleicht eine Zeit kommen -
und es sind viele Anzeichen vorhanden,
dass sie nahe ist - eine Zeit wird viel-
leicht kommen, wo unsre Seelen sich
ohne Vermittlung der Sinne erblicken
werden. Es steht fest, dass sich das
Reich der Seele täglich mehr verbreitet.
Sie ist unserem sichtbaren Wesen viel
naher und nimmt an all unsren Hand-
lungen viel mehr teil, als vor zwei oder
drei Jahrhunderten. Man könnte sagen,
dass wir uns einer geistigen Epoche
nähern. Es giebt in der Geschichte eine
gewisse Zahl solcherPerioden, in denen
die Seele, unbekannten Gesetzen zufolge, gleichsam an der Oberfläche
der Menschheit auftaucht und ihr Dasein und ihre Macht unmittelbarer
kund giebt. Dies Dasein und diese Macht offenbaren sich auf tausenderlei
unerwartete und verschiedene Weisen. Die Menschheit ist, wie es scheint,
in diesen Zeitläuften im Begriff gewesen, die lastende Bürde der Materie
ein wenig aufzuheben. Es herrscht da eine Art geistiger Erleichterung,
und die starrsten und unbeugsamsten Naturgesetze geben hier und da
nach. Die Menschen sind sich selbst und ihren Brüdern näher; sie sehen
einander an und lieben einander viel ernstlicher und inniger. Sie verstehen
zarter und tiefer das Kind, das Weib, die Tiere, die Pflanzen und die
Dinge. Die Bildwerke, Gemälde und Schriften, die sie uns gelassen haben,
sind vielleicht nicht vollkommen; aber ich weiss nicht, welche geheime
Kraft und Anmut ihnen ewig lebendig innewohnt. Es muss da in den
Blicken der Menschen eine Bruderliebe und geheimnisvolle Hoffnung ge-
legen haben; und man findet überall neben den Spuren des gewöhnlichen
Lebens die welligen Spuren eines andern Lebens, das man sich nicht erklärt.
 
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