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Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0041
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dass sie uns den Thoren unsres Wesens wieder nahebrächten, und in der
That könnte man glauben, dass alle unsre Beziehungen zu ihnen durch
den Spalt dieses Urthores und in jenem unfasslichen Flüstern statthaben,
das ohne Zweifel die Entstehung der Dinge begleitete, damals, als man nur
mit leiser Stimme sprach, aus Furcht, ein Verbot oder einen ungeahnten
Befehl zu überhören ...
Es wird die Schwelle dieser Thür nicht überschreiten, sondern erwartet
uns auf der Innenseite, wq die Quellen sind. Und wenn wir dann von
aussen anklopfen und es öffnet, lässt seine Hand nie den Schlüssel oder
Riegel los. Es blickt einen Augenblick den ihr nahenden Zugesandten an,
und in diesem kurzen Augenblick hat es alles, was es muss, vernommen,
und die zukünftigen Jahre haben bis an das Ende der Zeiten gezittert. . .
Wer kann uns sagen, was der erste Blick der Liebe enthält, „dieser Zauber-
stab, gemacht aus einem Strahl gebrochenen Lichtes," der, vom ewigen
Brennpunkt unsres Wesens ausgegangen, zwei Seelen verwandelt und
um zwanzig Jahrhunderte veijüngt hat! Die Thüre schliesst sich dann
oder öffnet sich; man mache keine Anstrengungen mehr, alles ist ent-
schieden. Sie weiss. Sie wird euch eure Handlungen, Worte und Ge-
danken nicht mehr anrechnen, und wenn sie diese noch überwacht, wird
sie es nur noch lächelnd thun; und unbewusst wird sie alles zurückweisen,
was nicht geeignet ist, die Gewissheiten dieses ersten Blickes zu befestigen.
Und wenn ihr glaubt, sie irre zu führen, so wisst, dass sie recht hat gegen
eueh selbst, und dass ihr allein die Irrenden seid; denn ihr seid weit
gewisser, was ihr in ihren Augen seid, als was ihr in eurer Seele zu sein
glaubt, selbst wenn sie sich unaufhörlich über den Sinn eines Lächelns,
einer Gebärde oder einer Thräne täuscht...
O ihr verborgenen Schätze, die nicht einmal einen Namen haben!...
Ich wünschte, dass alle, die erfuhren, dass sie schlecht sind, es ihrerseits
verkündeten und uns ihre Gründe sagten, und wenn diese Gründe tief
sind, werden wir erstaunt sein und sehr weit ins Mysterium hineingeraten.
Sie sind fürwahr die verschleierten Schwestern aller grossen Dinge, die
man nicht sieht. Sie sind fürwahr die nächsten Angehörigen des Un-
endlichen, das uns umgiebt, und wissen ihm alleine noch mit der vertrauten
Anmut des Kindes zuzulächeln, das seinen Vater nicht fürchtet. Sie unter-
es— halten hienieden wie ein himmlisches und unnützliches Kleinod das reine
^ v Feuer unsrer Seele; und wenn sie abschieden, würde der Geist allein
 
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