Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0068
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Maulwürfe. Sie soll leben, als hätte sie eines Tages älteren Brüdern
Rechenschaft abzulegen. Der auf sich selbst gestützte Geist ist nur eine
Lokalberühmtheit, die den Fremden lächeln macht. Es giebt noch etwas
andres als den Geist; auch ist er es nicht, der uns mit dem Weltall ver-
bindet. Es ist an der Zeit, dass man ihn und die Seele nicht mehr
verwechsle. Es handelt sich nicht um Das, was zwischen uns vor-
geht, sondern um Das, was in uns stattßndet, über den Leidenschaften
und der Vernunft. Wenn ich der fremden Vernunft nur La Roche-
foucauld, Lichtenberg, Meredith oder Stendhal darbiete, so wird sie mich
ansehen, wie ich im Schosse einer toten Stadt den hoffnungslosen Bürger
ansehe, der mir von seiner Strasse, seiner Heirat oder seinem Gewerbe
spricht. Welcher Engel wird den Titus fragen, warum er nicht die Berenice
geheiratet habe, und warum Andromache sich dem Pyrrhus versprach?
Was ist Berenice, wenn ich sie mit dem Unsichtbaren vergleiche, das in
der Bettlerin liegt, die mich anhält, oder in der Prostituierten, die mir
winkt? Ein mystisches Wort allein kann für Augenblicke ein menschliches
Wesen darstellen; aber unsre Seele ist nicht in diesen Regionen ohne
Schatten und Abgründe; -- und auch du, hältst du dich dort auf in den
ernsten Stunden, wo das Leben auf deine Schultern drückt? Der Mensch
ist nicht in diesen Dingen, und doch sind diese Dinge vollkommen. Aber
man muss davon nur unter sich sprechen, und es ziemt sich, davon zu
schweigen, wenn ein Besucher abends an unsre Thüre pocht. Wenn
aber dieser selbe Besucher mich in dem Augenblicke überrascht, wo meine
Seele den Schlüssel zu ihren nächsten Schätzen in Pascal, Emerson oder
Hello sucht, oder auch bei einigen von denen sucht, welche die Begierde
nach sehr reiner Schönheit plagte, werde ich nicht errötend das Buch
schliessen; und vielleicht wird er selbst daraus eine Vorstellung von einem
Bruder schöpfen, der zum Schweigen verdammt ist, oder zum aller-
wenigsten lernen, dass wir nicht alle zufriedene Bewohner dieser Erde
waren.

63
 
Annotationen