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Schmidt, Susanne
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 30): Die ältere römische Kaiserzeit in Südniedersachsen — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.68052#0061
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daher im südlichen Teil des Arbeitsgebiets, wenn
man von der Siedlung Klein-Escherde, Kat. Nr.
198, bei Hildesheim einmal absieht. Darüber hin-
aus wird noch kurz auf eine Fundstelle eingegan-
gen, die aufgrund ihrer Lage eine Besonderheit
darstellt. Auch die Wallburgen sind noch Gegen-
stand einer kurzen Betrachtung.
5.3.1 Schwiegershausen (Kat. Nr. 326)
5.3.1.1 Topographie
Die Fundstelle befindet sich auf einer kleinen
Geländekuppe sowie einem vorgelagerten, nach
Westen abfallenden Nordwesthang, zwischen der
Kreisstadt Osterode a.H. und dem Dorf Schwie-
gershausen. Die Siedlung liegt damit verkehrsgün-
stig auf halber Strecke am Engpass zwischen den
Tälern der Oder im Süden und der Söse bzw. Sie-
ber im Norden. Nur wenige Kilometer südlich ver-
läuft die alte, wohl schon zur Bronzezeit existieren-
den West-Ost-Verbindungsstraße „Fastweg“, was
die gute verkehrsgeographische Lage unterstreicht.
5.3.1.2 Forschungsgeschichte
Anfang der 1970er Jahre wurde dieser Platz auf
einer kleinen Geländekuppe südöstlich des
Naturschutzgebietes „Beierstein“ durch örtliche
Heimatforscher entdeckt. Eine erste Grabung
unter der Leitung von H.-G. Kohnke (350 m2)
blieb allerdings ohne Ergebnisse (Kohnke 1990). Da
die offenliegende Fundstelle durch Bodenerosion
stark gefährdet war, strengte man eine weitere
Untersuchung an. Erst diese Nachgrabung der
Kreisarchäologie Osterode a.H. unter der Leitung
von St. Flindt auf 130 m2 Fläche erbrachte ver-
wertbare Befunde.
5.3.1.3 Befunde
Neben drei Siedlungsgruben mit Keramik fanden
sich auch Pfostenstandspuren von mindestens zwei
Gebäuden (Abb. 3-6).
Bei dem Befund 1/2/25/30/31/32 spricht alles
dafür, dass es sich hier um das Südost-Ende eines
dreischiffigen Langhauses mit steilem Giebel han-
delt38. An der Schmalseite befinden sich vier Pfos-
ten, wobei die Inneren leicht nach außen aus der
Flucht ausscheren. Der Abstand zwischen den
inneren Pfosten beträgt ca. 2,9 m39 und von den
beiden Inneren zu den Äußeren jeweils 1,5 m bzw.

1,8 m. Aufgrund der Pfostenstellung kann man auf
ein Steildach schließen.
Die größte bekannte Breite des Hauses zwischen
den Pfosten misst ca. 6,2 m. Analog dazu besitzen
die Häuser des 1.-3. Jhs. n. Chr. in Flögeln-Eekhöl-
tjen Breiten zwischen 5,5 und 7,0 m. Bis zum 6.
Jh. nimmt dort die Breite der Häuser kontinuier-
lich bis auf 4 m Breite ab. Zimmermann deutet dies
als Mangel an genügend geeignetem Bauholz
(1988, 473). Zudem glaubt er, einen Zusammen-
hang zwischen der Breite des Hauses zu der sozi-
alen Stellung der Besitzer zu erkennen: je breiter
der Hausgrundriss, desto sozial höherstehend die
Bewohner. Begründet wird dies damit, dass nur
Reiche in der Lage gewesen seien, sich teures Bau-
holz zu leisten. Die Verfügbarkeit von gutem Bau-
holz mag in den Küstenländern ein Kriterium
gewesen sein, aber sicher nicht im waldreichen
Harzvorland (vgl. Kap. 7), sodass an diesem Stand-
ort die Breite des Hauses nicht zwangsläufig als
Kriterium für hohen sozialen Status zu sehen ist.
In Flögeln-Eekhöltjen, Ldkr. Cuxhaven, liegt die
maximale Weite des Eingangs an den Schmalsei-
ten bei 2,0 m (Zimmermann 1992, 142). Dies ist
aber die Ausnahme; die meisten Hauseingänge an
den Schmalseiten besitzen eine Weite im Durch-
schnitt von 0,95 m cm, was auch mit heutigen Tür-
breiten vergleichbar ist. Die Weite zwischen den
Innenpfosten des Schwiegershausener Gebäudes
ist mit 2,9 m sehr weit, sodass es wahrscheinlicher
ist, dass sich der Eingang des Hauses an einer der
Längsseiten befand. Dies ist darüber hinaus bei
den kaiserzeitlichen Langhäusern eher die Regel
(Trier 1969, 57). Wenn es sich aber um den Stall-
teil des Gebäudes und um den Eingang für das
Vieh handelt, wäre die große Weite erklärbar.
Allerdings besitzen fast alle Häuser der Feddersen
Wierde einen Fronteingang, auch solche ohne
Stallteil. Indes ist hier die maximale Breite 1,1 m
(Haarnagel 1979, 91), was nach Hinz (1954, 81)
für den Eintrieb des Viehs völlig ausreicht. Die
Orientierung des Gebäudes verläuft von Nordwest
nach Südost. Die überwiegende Zahl der Langhäu-
ser in Flögeln war W-O ausgerichtet, nur sechs lie-
gen in N-S Ausrichtung (Zimmermann 1992,154).
Diese Ausrichtung der Häuser ist durch die in
Deutschland herrschende Hauptwindrichtung bzw.
Sturmrichtung zu erklären. Eine zeitliche Kompo-

38 Für die Hilfe bei der Interpretation dieses Befundes bedanke ich mich ganz herzlich bei A. Tummuscheit, Kiel.
39 Gemessen wurde jeweils ab zeichnerischer Mitte der Befunde. Maße von Rand zu Rand: BF 30-BF 25: 230 cm, BF 2-BF 31:
570 cm; BF 1-BF 2: 70 cm; BF 31-BF 32: 85 cm.

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