verstand er - im Sinne Niquets (s.u.) - als „kultu-
rellen Rückstrom11.
In Mitteldeutschland beschäftigte sich zunächst vor
allem der Berliner Prähistoriker Alfred Götze auf
der Grundlage des Gräberfeldes von Rössen mit der
Stellung der Rössener Kultur. Nachdem er in seiner
Dissertation (1891) zunächst einen Zusammen-
hang mit der Schnurkeramik angenommen hatte,
erkannte er später (1900) den „Rössener Typus11 als
eine „neue keramische Gruppe“ an, die einen
„Mischstil aus Band-Keramik [wozu er auch HST-
und GG-Keramik rechnete], nordwestdeutscher
Keramik und Bernburger Typus“ darstellen soll-
te22. Götze hatte bei der Besprechung der Rössener
Keramik auch ein Standfußgefäß der Trichterbech-
erkultur aus Seeste, Kr. Steinfurt, mit einbezogen,
das in der Folgezeit - obwohl Paul Reinecke (1900)
unverzüglich auf die irrtümliche Zuweisung dieses
Gefäßes in den Rössener Kontext hingewiesen hat-
te23 -von verschiedener Seite (so z.B. auch Bremer
1913, s.o.) als Anhaltspunkt für eine Herleitung des
Rössener Stils aus der nordischen „Megalithkera-
mik“ gewertet wurde24. Kossinna (1902, 1928) ver-
suchte schließlich eine Einwanderung nordwest-
deutscher Stämme in das Mittelelbe-Saale-Gebiet
zu rekonstruieren, die dort auf die LBK getroffen
und damit die Grundlage für die Herausbildung der
Rössener Kultur in Mitteldeutschland dargestellt
haben sollen25. Von dort seien Bevölkerungsteile
dann nach Westen und Südwesten abgewandert,
wodurch sich ein jüngeres Alter des südwestdeut-
schen Rössen ergebe. Dieser Auffassung schlossen
sich auch Nils Aberg (1918) und später Schuchhardt
(1934) an26.
Hans Reinerth (1923) wollte das süddeutsche Rös-
sen als Ergebnis einer „unter nordischem Einfluß
entstandenen Form der späteren Bandkeramik“
verstehen27. Auch Franz Niquet (1937) propagier-
te im Rahmen seiner Studie über „Die Rössener
Kultur in Mitteldeutschland“ eine Zugehörigkeit
der Rössener Kultur zum „mitteldeutsch-nordi-
schen Kreis“ mit Beziehungen zur mitteldeutschen
Schnurkeramik und zur Stichbandkeramik (SBK)
bzw. Jordansmühl einerseits und zur „Dänischen
Dolmenkeramik“ (Trichterbecherkultur) anderer-
seits28. Auch er glaubte an eine Abwanderung Rös-
sener Bevölkerungsteile nach Südwestdeutschland,
die in Mitteldeutschland auftretende Keramik mit
Merkmalen des südwestdeutschen Rössen (eigent-
lich Großgartacher Kultur) versuchte er mit einem
„kulturellen Rückstrom“ zu erklären. Ein Jahr
später (1938) legte Niquet das Fundmaterial des
eponymen Gräberfeldes von Rössen erstmals zu-
sammenfassend vor29.
In einem 1940 erschienenen Artikel über „Die Her-
kunft und verwandtschaftliche Beziehungen der
Rössener Kultur“ sprach sich Carl Engel aufgrund
stilistischer Überlegungen zwar richtigerweise für
die Sequenz HST-GG-RÖ (dort „Hinkelsteinstil“-
„Jungrössen“-„Altrössen“) aus, da er diese Hypo-
these aber nicht durch entsprechende stratigraphi-
sche Befunde untermauern konnte, gab er der Ver-
mutung den Vorzug, daß sich der „A Itrössener Stil“
(RÖ) aus der mitteldeutschen Stichbandkeramik
und der (südwestdeutsche) „Jungrössener Stil“ aus
Hinkelstein entwickelt habe30. Den bisherigen Wan-
derungsvorstellungen wollte er, wie zuvor bereits A.
Stocky (1922)31, nicht folgen und schlug deshalb
vor, die gebräuchlichen Begriffe (mitteldeutscher)
„A/t-“und (südwestdeutscher) „Jungrössener Stil“
durch die chronologisch neutraleren Bezeichnun-
gen „südwestdeutscher“ bzw. „mitteldeutscher
Rössener Stil“ zu ersetzen.
Ulrich Fischer äußerte 1959 erstmals die Vermu-
tung, daß die Rössener Kultur aus dem Rheinge-
biet nach Mitteldeutschland gekommen sein
könnte32. In den 60er Jahren wurden u.a. von Jür-
gen Driehaus (1960)33 und K. Eckerle (1966)34
22 Götze 1891, 8; 1900, (251)-(253).
23 Reinecke 1900, (602)-(603).
24 Bremer 1913, 424-425.
25 Kossinna 1902, 170-171; 1908; 1928, 163.
26 Äberg 1918, 151-155. Schuchhardt 1934, 85-93.
27 Reinerth 1923, 24-25.
28 Niquet 1937, 60.
29 Niquet 1938.
30 Engel 1940, 79.
31 Stocky 1922, 14-15.
32 Fischer 1961, 416.
33 Driehaus 1960, 10.
34 Eckerle 1966, 111-112, Anm. 18.
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rellen Rückstrom11.
In Mitteldeutschland beschäftigte sich zunächst vor
allem der Berliner Prähistoriker Alfred Götze auf
der Grundlage des Gräberfeldes von Rössen mit der
Stellung der Rössener Kultur. Nachdem er in seiner
Dissertation (1891) zunächst einen Zusammen-
hang mit der Schnurkeramik angenommen hatte,
erkannte er später (1900) den „Rössener Typus11 als
eine „neue keramische Gruppe“ an, die einen
„Mischstil aus Band-Keramik [wozu er auch HST-
und GG-Keramik rechnete], nordwestdeutscher
Keramik und Bernburger Typus“ darstellen soll-
te22. Götze hatte bei der Besprechung der Rössener
Keramik auch ein Standfußgefäß der Trichterbech-
erkultur aus Seeste, Kr. Steinfurt, mit einbezogen,
das in der Folgezeit - obwohl Paul Reinecke (1900)
unverzüglich auf die irrtümliche Zuweisung dieses
Gefäßes in den Rössener Kontext hingewiesen hat-
te23 -von verschiedener Seite (so z.B. auch Bremer
1913, s.o.) als Anhaltspunkt für eine Herleitung des
Rössener Stils aus der nordischen „Megalithkera-
mik“ gewertet wurde24. Kossinna (1902, 1928) ver-
suchte schließlich eine Einwanderung nordwest-
deutscher Stämme in das Mittelelbe-Saale-Gebiet
zu rekonstruieren, die dort auf die LBK getroffen
und damit die Grundlage für die Herausbildung der
Rössener Kultur in Mitteldeutschland dargestellt
haben sollen25. Von dort seien Bevölkerungsteile
dann nach Westen und Südwesten abgewandert,
wodurch sich ein jüngeres Alter des südwestdeut-
schen Rössen ergebe. Dieser Auffassung schlossen
sich auch Nils Aberg (1918) und später Schuchhardt
(1934) an26.
Hans Reinerth (1923) wollte das süddeutsche Rös-
sen als Ergebnis einer „unter nordischem Einfluß
entstandenen Form der späteren Bandkeramik“
verstehen27. Auch Franz Niquet (1937) propagier-
te im Rahmen seiner Studie über „Die Rössener
Kultur in Mitteldeutschland“ eine Zugehörigkeit
der Rössener Kultur zum „mitteldeutsch-nordi-
schen Kreis“ mit Beziehungen zur mitteldeutschen
Schnurkeramik und zur Stichbandkeramik (SBK)
bzw. Jordansmühl einerseits und zur „Dänischen
Dolmenkeramik“ (Trichterbecherkultur) anderer-
seits28. Auch er glaubte an eine Abwanderung Rös-
sener Bevölkerungsteile nach Südwestdeutschland,
die in Mitteldeutschland auftretende Keramik mit
Merkmalen des südwestdeutschen Rössen (eigent-
lich Großgartacher Kultur) versuchte er mit einem
„kulturellen Rückstrom“ zu erklären. Ein Jahr
später (1938) legte Niquet das Fundmaterial des
eponymen Gräberfeldes von Rössen erstmals zu-
sammenfassend vor29.
In einem 1940 erschienenen Artikel über „Die Her-
kunft und verwandtschaftliche Beziehungen der
Rössener Kultur“ sprach sich Carl Engel aufgrund
stilistischer Überlegungen zwar richtigerweise für
die Sequenz HST-GG-RÖ (dort „Hinkelsteinstil“-
„Jungrössen“-„Altrössen“) aus, da er diese Hypo-
these aber nicht durch entsprechende stratigraphi-
sche Befunde untermauern konnte, gab er der Ver-
mutung den Vorzug, daß sich der „A Itrössener Stil“
(RÖ) aus der mitteldeutschen Stichbandkeramik
und der (südwestdeutsche) „Jungrössener Stil“ aus
Hinkelstein entwickelt habe30. Den bisherigen Wan-
derungsvorstellungen wollte er, wie zuvor bereits A.
Stocky (1922)31, nicht folgen und schlug deshalb
vor, die gebräuchlichen Begriffe (mitteldeutscher)
„A/t-“und (südwestdeutscher) „Jungrössener Stil“
durch die chronologisch neutraleren Bezeichnun-
gen „südwestdeutscher“ bzw. „mitteldeutscher
Rössener Stil“ zu ersetzen.
Ulrich Fischer äußerte 1959 erstmals die Vermu-
tung, daß die Rössener Kultur aus dem Rheinge-
biet nach Mitteldeutschland gekommen sein
könnte32. In den 60er Jahren wurden u.a. von Jür-
gen Driehaus (1960)33 und K. Eckerle (1966)34
22 Götze 1891, 8; 1900, (251)-(253).
23 Reinecke 1900, (602)-(603).
24 Bremer 1913, 424-425.
25 Kossinna 1902, 170-171; 1908; 1928, 163.
26 Äberg 1918, 151-155. Schuchhardt 1934, 85-93.
27 Reinerth 1923, 24-25.
28 Niquet 1937, 60.
29 Niquet 1938.
30 Engel 1940, 79.
31 Stocky 1922, 14-15.
32 Fischer 1961, 416.
33 Driehaus 1960, 10.
34 Eckerle 1966, 111-112, Anm. 18.
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