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Lönne, Petra
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 31): Das Mittelneolithikum im südlichen Niedersachsen :: Untersuchungen zum Kulturenkomplex Großgartach - Planig-Friedberg - Rössen und zur Stichbandkeramik — 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.68368#0041
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in der Goldenen Mark (Unteres Eichsfeld) und
besonders im Bereich der westlichen Leinetalaue.
Im Gebiet des östlichen Leinetals wird dagegen
eine deutliche Ausdünnung der Fundstellen er-
kennbar. Diese Situation kann einerseits auf die
weniger intensive archäologische Geländearbeit
östlich der Leine zurückgeführt werden, anderer-
seits dürfte das westliche Leinetal aber tatsächlich
aufgrund der bedeutend größeren Lößflächen
bevorzugt als Siedlungsgebiet genutzt worden
sein. Einschränkend muß allerdings darauf hin-
gewiesen werden, daß insbesondere im Bereich
der Leineaue durch Bodenerosion ein erheblicher
nachneolithischer Bodenauftrag zu erwarten ist,
so daß mögliche Siedlungsstellen nicht im Rah-
men von Feldbegehungen sondern nur bei tiefer-
greifenden Erdbewegungen erfaßt werden kön-
nen151. Für diese Annahme sprechen auch die
wenigen, bisher ausschließlich im Zuge von
Bodeneingriffen entdeckten, mittelneolithischen
Fundplätze im Bereich derTalauen (vgl. Kat.-Nr.
44, 103, 112-113) und die hier gelegentlich im
Rahmen des großflächigen Kies- bzw. Tonabbaus
auftretenden mittelneolithischen Funde (vgl.
Kat.-Nr. 72, 144-145). Nach Beobachtungen von
K. Raddatz zeichnen sich andererseits aus mittle-
ren und höheren Hanglagen erodierte Fundstel-
len vielfach noch in verlagerten Resten am Unter-
hang ab (vgl. Kat.-Nr. 39)152. Es kann demzufolge
vermutet werden, daß ein Großteil der ursprüng-
lich im Auenbereich befindlichen Siedlungen
sich der Auffindung bisher weitgehend entzog
und dieser Siedlungslage durchaus eine größere
Bedeutung zukommen könnte.
Auf der Dransfelder Hochfläche konnten, trotz
vergleichsweise intensiver Geländebegehungen,
bisher keine sicheren mittelneolithischen Sied-
lungen nachgewiesen werden153. Wahrscheinlich
wurde dieser Bereich im Mittelneolithikum nur
zurückhaltend genutzt. Gelegentlich auftretende
Felsgesteingeräte, die vermutlich im mittelneoli-
thischen Kontext zu sehen sind, bezeugen, daß
wohl auch diese Gebiete aufgesucht wurden (z.B.
Kat.-Nr. 60).

Nachdem in den 60er Jahren bei Feldbegehungen
noch häufig größere Keramikfragmente aufgesam-
melt werden konnten, stellten sich im Zuge der
fortschreitenden landwirtschaftlichen Nutzung
graduelle Veränderungen im Fundbild, mit einer
zunehmenden Tendenz zur Kleinteiligkeit der
Keramik und schließlich weitgehender Fundleere
der Plätze, ein154. Darüber hinaus wird die Auf-
findung mittelneolithischer Siedlungen durch den
im Vergleich zu linienbandkeramischen Fund-
plätzen wesentlich geringeren Fundniederschlag
erheblich erschwert. So fanden sich in Großenro-
de-14 (Kat.-Nr. 132), obwohl der Bereich über
einen Zeitraum von 30 Jahren von dem Sammler
F. Könecke begangen wurde, vor Beginn der Aus-
grabungen durch das Seminar für Ur- und Früh-
geschichte nur wenige Hinweise auf eine Rössener
Siedlung. Erste eindeutige Indizien für die mittel-
neolithische Siedlung und das Erdwerk konnten
erst im Verlauf einer Probegrabung im Bereich des
jungneolithischen Kollektivgrabes I nachgewie-
sen werden. Auch die Luftbildprospektion zeigte
in diesem Fall keine Auffälligkeiten.
Die relative Fundarmut mittelneolithischer Sied-
lungsplätze verdeutlicht in besonderem Maße der
Fundplatz Elliehausen, Ldkr. Göttingen (Kat.-Nr.
38). Obwohl dort im Rahmen einer zweijährigen
baubegleitenden Grabung mindestens sieben mittel-
neolithische Hausgrundrisse dokumentiert wer-
den konnten (Abb. 16), liegt bisher nur äußerst
wenig Fundmaterial (bisher drei verzierte rössen-
zeitliche Scherben) vor155. In diesem Zusammen-
hang soll auch auf die Verschleppung bzw. sekun-
däre Verwendung von Großsteingeräten (Äxte,
Schuhleistenkeile etc.) hingewiesen werden156.
Diese sollten im Volksglauben als sogenannte „Don-
nerkeile“ als Schutz vor Unheil bzw. zur Abwehr
von Blitzeinschlägen etc. dienen und wurden des-
halb häufig in (landwirtschaftlichen) Gebäuden
verwahrt oder eingemauert (z.B. Kat.-Nr. 35, 86,
115). Derartige Stücke treten gelegentlich noch
heute bei Umbauten in Erscheinung. Es ist nicht
auszuschließen, daß ein Teil dieser Geräte - nach-
dem ihre Bedeutung in Vergessenheit geriet - mit

151 Derartige Auelehmablagerungen konnten im Arbeitsgebiet im oberen Leinetal verschiedentlich durch Untersuchungen
nachgewiesen werden; vgl. Scheffer, Meyer 1958; 1963, bes. 15; Jäger 1962, bes. 46, 50-51. Raddatz 1970, 235.
152 Raddatz 1972, 346-348.
153 Die Dransfelder Hochfläche wurde in den 50er und 60er Jahren im Rahmen von Geländebegehungen durch den dama-
ligen Kreisbodendenkmalpfleger F.-B. Jünemann betreut. Weitere Begehungen folgten seit Ende der 70er Jahre durch das
Göttinger Seminar für Ur- und Frühgeschichte und die Kreisarchäologie Göttingen; vgl. Cramer u.a. 1981, bes. 275-280.
154 Freundliche Mitteilung U. Werben, Einbeck.
155 Freundliche Mitteilung B. Rasink (Grabungsleiter), Publikation in Vorbereitung; vgl. Rasink 1998.
156 Den diesbezüglichen Diskussionsstand faßt Raddatz 1972a, 17-21 (mit weiterführender Literatur), zusammen.

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