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Lönne, Petra
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 31): Das Mittelneolithikum im südlichen Niedersachsen :: Untersuchungen zum Kulturenkomplex Großgartach - Planig-Friedberg - Rössen und zur Stichbandkeramik — 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.68368#0072
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lungert Südosteuropas vor304 und auch verschie-
dene Autoren der Antike schildern die unterirdi-
sche Vorratshaltung bei zeitgenössischen Völ-
kern305. In jüngster Zeit haben zahlreiche prakti-
sche Siloversuche die Effizienz dieser Bevorra-
tungsmethode bestätigt. Aus den Experimenten
konnte darüber hinaus geschlossen werden, daß
derartige Silogruben vermutlich nur zeitweise -
wohl zwischen Ernte und Aussaat - gefüllt waren
und nach Aussaat des Getreides offenbar bis zur
erneuten Beschickung offenlagen. Während des
Offenliegens kam es zu Erosionsvorgängen (Ein-
brüchen) im Bereich der Grubenwände, die in
unterschiedlichen Stadien charakteristische Unter-
scheidungsmerkmale in den Profilen (sanduhrför-
mig, kegelstumpfförmig bzw. trichterförmig) aus-
bildeten (z.B. Taf. 216:1225, Taf. 165:96)™.
Im Arbeitsgebiet konnten lediglich zwei vermut-
lich intentionell angelegte „Kegelstumpfgruben“
nachgewiesen werden307. Ein besonders typisches,
1,2 m weites und 0,85 m tiefes Beispiel liegt aus
Großenrode-14 (Stelle 1143) vor (Taf. 211:1143).
In Seulingen-54, Ldkr. Göttingen (Kat.-Nr. 83-2),
war nur noch die 1,7 m breite Basis einer derar-
tigen Grube auf einer Tiefe von 0,3 m erhalten
(Taf. 161:2).
Vereinzelte Belege für diesen Grubentyp finden
sich bereits im Milieu der Linienbandkeramik308.
Analogien aus mittelneolithischem Kontext schei-

nen aus Inden-1, Kr. Düren, vorzuliegen309. Erst
in der Bronze- und insbesondere der Vorrömi-
schen Eisenzeit erreichen die kegelstumpfförmi-
gen Gruben ihre größte Verbreitung und stellen
die charakteristische Grubenform zur Vorratshal-
tung dar310.
Im Experiment konnte festgestellt werden, daß
diese Vorratsgruben bei regelmäßiger Reinigung
und möglichen zusätzlichen Sicherungsmaßnah-
men bzw. Reparaturen mehrere Jahre bzw. bis zu
einem Jahrzehnt und möglicherweise auch noch
länger genutzt werden konnten311. Nachdem die
Vorrats- bzw. Silogruben aufgrund fortschreiten-
der Erosionsvorgänge für die Bevorratung schließ-
lich unbrauchbar geworden waren, wurden diese
offenbar sekundär zur Abfallbeseitigung genutzt312.
Diese Annahme wird durch die häufig in der Verfül-
lung auftretenden Abfallschichten bekräftigt313.
In Großenrode-14 enthielten die Silo- bzw. Vor-
ratsgruben 70 % der Keramik und 80 % der gebor-
genen Flintartefakte. Darüber hinaus waren auch
verkohlte organische Reste, wie Holzkohle,
Getreide und Knochen sowie zahlreiche Bruch-
stücke von Mahlsteinen und Felsgesteinartefak-
ten in der Grubenfüllung vertreten.
Neben der bereits erwähnten Kegelstumpfgrube
(Stelle 1143) können in Großenrode-14 zwölf
Kesselgruben314 und möglicherweise acht weite-
re, muldenförmige Befunde315 zu den Vorratsgru-

304 Vgl. dazu Rosenstock 1979, 188 (mit weiterführender Literatur).
305 Rosenstock 1979, 188. Monk, Fasham 1980, 335; jeweils mit weiterführenden Literaturverweisen.
306 Durch diesen Vorgang verringert sich die Grubenöffnung im Verhältnis zur größten Weite. Daraus resultiert eine Verbes-
serung der Lagerbedingungen, da das Lagergut so besser vor äußeren Einwirkungen geschützt ist; vgl. Reynolds 1974,
129; Keefer 1988, 22-24.
307 Aufgrund eines geringeren Sauerstoffeinschlusses wird schneller eine mit Kohlendioxid gesättigte Atmosphäre erreicht,
so daß sowohl der Keimungsprozeß als auch mögliche Schimmelbildung am Getreide eingeschränkt bzw. verhindert wird.
Eine ausführliche Beschreibung der ablaufenden Prozesse erfolgt bei Reynolds 1974. Vgl. auch Gebers 1985 und Meu-
rers-Balke, Lüning 1990, 91-92. Mit den Erosionsstadien der Grubenwände haben sich vor allem Bowen, Wood 1968
bzw. Keefer 1988, 22-27, auseinandergesetzt.
308 Planck 1983, 142: Grube 10 („bienenkorbartige“ Form).
309 Kuper 1979, 143.
310 Rosenstock 1979, 183-190, mit Verbreitungskarte der Kegelstumpfgruben (Abb. 8). Gebers 1985.
311 Bersu 1940, 61. Keefer 1988, 27. In der Rössener Siedlung auf dem Taubenberg bei Wahlitz, Ldkr. Jerichower Land,
konnte hinsichtlich des Bodensubstrates (Dünensand) eine Absteifung der Gruben mit Holz oder Flechtwerk wahrschein-
lich gemacht werden; Schmidt 1970, 93.
312 Zu den Nutzungsstadien der Kesselgruben bis zur Aufgabe der primären Funktion vgl. Keefer 1988, 22: Abb. 14. Siehe
auch die Kesselgrubenexperimente auf dem Versuchsgelände von Kinzweiler (Aldenhovener Platte); dazu Boelicke u.a.
1977, 543-547 und Lüning 1981a, 276-280.
313 In Warburg-Borgenteich, Kr. Höxter, konnte eine mutmaßlich sekundär verfüllte, linienbandkeramische „Lehmentnah-
megrube“ erfaßt werden (m. E. handelt es sich eher um eine Silogrube), die über 12 kg verkohltes Getreide (Emmer und
Einkorn) enthielt; vgl. Becker 1995, 191.
314 Kesselgruben: Stelle 81, 340, 412, 906, 1080, 1090, 1142, 1147, 1168, 1176, 1191, 1225.
315 Unsichere Kesselgruben: Stelle 71, 493, 743, 823, 1040, 1077, 1174, 1189.

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