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Mannheimer Abendzeitung. Landtags-Bericht — 1848

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Nr. 21 - Nr. 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.47792#0037
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2848

Mannheimer Abendzeitung Mr. TZ

Landtags - Bericht.

Aus der
Motion des Abg Helmreich, Einführung
einer neuen Gewerbeordnung betr.
(Fortsetzung.)';
Die Summe von Arbeit, welche in einem Gewerbs-
erzeugnisse steckt, bedingt dessen eigentlichen nationalöko-
rromischen Werth, sie macht unfern Reichthum oder un-
sere Armuth aus. Darum sollte man die Arbeiter zu
einer immer höhern Stufe der Arbeit hinaufführen, die
Holzuhrmacher zu Metalluhrmachern, die Steinmetzen zu
Bildhauern herauszubilden suchen. Allein leider ist es
bei den steigenden Anforderungen nur dem Wohlhabenden
möglich, die zum tüchtigeren Gewerbsbetrieb nöthigen
theoretischen Kenntnisse sich zu erwerben. Dem müßte
abgeholfen werden. — Bei uns hat das Verhältnis zwi-
schen Kapital und Arbeit nicht die Höhe erreicht, wie das
zwischen Arbeit und Genußsucht; auch diese ist ein Ruin
des Gewerbstandes geworden, und kein Gewerbe ist durch
sie in Blüthe gekommen, außer die Schoppenwirthschaft.
Wie der Lehrjunge war, wie der Geselle, so wird auch
der Meister. Der Lehrjunge wird, statt zum Geschäft,
zu allen möglichen häuslichen Hantierungen angehalten
und »st das dienende Faktotum von Meistcr und Gesellen.
Der Lehrgeselle treibt sich fechtend auf den Landstraßen
umher, der Willkür der Polizeibeamten Preis gegeben.
Wer mit einem Wanderbuche reist, für den ist das
schnelle Reisen noch nicht vorhanden. Der Beamte visirt
ihm nach Behagen und examinirt ihn nach Herzenslust.
Hat er dann in der Schweiz, in Frankreich oder gar in
Mannheim gearbeitet, Hoffmann'sche Lieder daselbst ge-
sungen und den Kommunismus gelernt, so schafft man
ihn auf dem Schub nach Hause. Darnach ist dann auch
der Meister beschaffen. Die Erweiterung der Gewerb-
schulen, damit der Junge in der Lehrzeit etwas Tüchti-
geres lernen, namentlich auch theoretische Kenntnisse sei-
nes Faches sich erwerben könnte, müßte diesen Uebelstän-
den abhelfen.
Einen Druck des Gewerbestandes bilden ferner die
Kreditgesetze. Bei den Handwerkern gibt es lange Ter-
mine. Je mehr ein armer Schuster arbeitet, desto ärmer .
wird er, denn die Lederschulden wachsen mit jedem Tage
und sein Geld läuft ost nach Jahresfrist nicht ein. So
rfi es schon ost geschehen, daß sich Einer arm gearbeitet !
hat, weil er zu fleißig war. Die einzige Abhülfe bie- !
tet: allgemeine Wechselfähigkeit und Pflichtigkeit. — Un- !
gerecht ist auch bei uns die Besteuerung deS GewerbS-
GaxdeS. Ich kann diesen Punkt hier um so eher über- k

gehen, da die Motion des Abg. Buhl Gelegenheit geben
wird, speziell darauf zurückzukommen. — Für die großen
Bankiers haben wir jetzt ein eigenes Wechselgesetz, aber
zum Schutz der technischen Erfindungen hat man in der
Eschenheimer Gasse noch kein Gesetz aufgefunden. Zwar
gewährt ein Bundesgesetz einigen, aber weitaus nicht den
genügenden Schutz. Wir schlagen deshalb vor, eine
dringende Bitte an Se. König!. Hoheit den Großherzog
mit aufzunehmen, damit den Gesetzen über literarisches
Eigenthum die Erweiterung auf Gewerbsersindungen ge-- »
geben werde. — Zur Unterstützung unbemittelter An-
fänger und verkommener Handwerkslente sind Handwer-
kerbanken zu errichten, im Verein mit Sparkassen und
Krankenhäusern. — Einstweilen sollte man alle Zünfte
und Innungen aufheben, Gewerbkammern, Gewerb-
Räthe und -Vereine an deren Stelle treten lassen, und
den ganzen Gewerbstand je nach den Stoffen, die er
verarbeitet, in Gruppen, diese wieder in Klassen abthei-
len. Die Gewerbkammer würde alljährlich in einer
Provinzial-Hauptstadt sich versammeln, um im Einver-
ständniß mit der Regierung das Fabrik- und Gewerbs-
gericht zn wählen, über den Stand der Gewerbe Bericht
zu erstatten und zu bcrathen. Die Gewerb-Räthe sind
zur Prüfung der Gewerbtreibenden bestimmt, und zur
Erreichung dieses Zweckes müßte das ganze Land in ge-
werbliche Distrikte abgetyeilt werden. Sachverständige
hat jeder Bezirk selbst zu wählen, den Vorsitz im Ge-
werbrath wie in dem Vereine führt der erste Bürger-
meister. — Wer ein Gewerb selbstständig betreiben will,
muß Bürger sein und 25 Jahre alt. Der Wirtwe bleibt
das Recht, das Geschäft weiter zu führen. Der Staats-
konzession bedürfen nur vie Apotheken, Wirthschaften und
Pulvermühlen. Wer eine Fabrik selbstständig betreiben
will, muß nachweisen, daß er entweder eine polytech-
nische Schule besucht oder die Handlung erlcrnt hat.
Die Prüfungen geschehen gemeinsam auf dem Nachhause
nnd der gesammte Gewerbrath entscheidet über die Grade
des Geleisteten. Der Geprüfte kann sich in jedem Be-
zirk niederlassen. Alle bisherigen Lehrlings- und Ge-
sellenaufnahmsgelder werden aufgehoben. Kommt Siner
nicht vorwärts in dem Geschäft, so steht es ihm frei, in
ein anderes derselben Klasse überzugeheu, zum Ueber-
gang,in eine andere Gruppe wird eine Prüfung ge-
fordert. — Dies wären die Prinzipien einer neuen Ge-
werbeordnung, womit ich noch den Wunsch verbinde,
man möge eine Versammlung sachkundiger Gewerbsleute
auS allen Theilen des Landes zur Feststellung des Ein-"
zelneu zusammen berufen. —
 
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