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Mansberg, Richard von
Wâfen unde Wîcgewaete der deutschen Ritter des Mittelalters — Dresden, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.16637#0059
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*sK 57 SS*

I

Sowohl in Hinsicht auf solche Prüfung, wie auch zu dem Zwecke
einer gleichsam stummen Herausforderung hing der lütter Schild und
Helm vor seinem Zelte oder seiner Herberge auf, am Tage des Ein-
treffens zu den ausgeschriebenen oder ausgerufenen Kampfspielen zu
Schimpf und zu Ernst. Manchmal waren der Schilde zwei, ein eigent-
licher Kämpfschild und ein Prunkschild, angebracht; es stand jedem
Ebenbürtigen frei, einen der beiden Schilde mit seinem Speer in auf-
fallender Weise zu berühren und dadurch dem Schildträger die Heraus-
forderung zum Kampfe anzudeuten1'24). Dieses Aufhängen der Schilde
in Verbindung mit dem gezimierten Helm gab das gebräuchlichste
Motiv für Darstellung der ritterlichen lüäpen auf Siegeln u. s. w. Der
Schild oben etwas nach rechts geneigt oder schrägliegend, auf seiner
linken oberen Ecke (ort) der Helm, gewöhnlich im Profil nach rechts.
Hingegen wurde die nähere Bezeichnung der Teile oder Verhältnisse
des Schildes stets bezogen auf seine Lage am linken Arme, vor der
linken Brust des Ritters, somit konnte es für rechte oder linke Seite,
oben oder unten, tacb (Schildeshaupt), ort (eine der beiden oberen Ecken),
fpttje (Schildesfuss) keine Zweideutigkeit geben, weil das Benannte in
unmittelbarer Beziehung beziehungsweise Berührung mit dem gleich-
namigen Teile des Schildträgers selbst stand. Dass im Laufe des
13. Jahrhunderts der heraldische Schmuck des Schildes in Zusammen-
hang mit dem jimier des Helmes gebracht, haben wir schon ausführ-
lich berichtet; desgleichen ist an je der betreffenden Stelle erzählt,
wie es der heitern Pracht des Rittertums entsprach, überall an ber toät
des Ritters und dem gereite 003 fperros die heraldischen Figuren und
Farben des Schildes zu wiederholen12r>). Gemeiniglich wurde sogar dem ors
an der Schulter das Wappen seines ritterlichen Eigentümers eingebrannt.

Das Verständniss der Herolde für die Wappen und ihre Bedeutung
in jedem concreten Falle wurzelte seinerzeit in der lebendigen Wirklich-
keit, in einer, man könnte sagen, alltäglichen Praxis; man bedurfte
für solches Wissen damals keiner geschriebenen Codices. Die Herolds-
kunst hat eine Litteratur erst zu erzeugen vermocht, als sie längst ihren
Glanzpunkt überschritten hatte und im Niedergange begriffen war.
Eigentliche Lehrbücher der Ars heraldica tauchten erst in einer Periode
auf, als Technik und Kunst des alten febütaere verschwunden und damit
zugleich das richtige Verständniss der eigentlichen Wappendarstellung
verloren gegangen war. Für das froijteren der Wappen, das man jetzt
mit dem französischen Kunstausdruck blason bezeichnet, haben wir in
der Blütezeit des Mittelalters nur wenige, zerstreute Andeutungen, die
sich darauf beschränken, wie gelegentlich die Dichter plasmirert. Der
Schild war entroerr/es (quer) geteilet in Dach oder ftueefe (Felder), da-
durch entstanden jtrifert (Balken), während die Spaltung jetal (von oben
nach unten) [triebe oder ftrimel (Pfähle) hervorbrachte; die Schräg teil ung
erzeugte eine bar oder einen febranc (Schrägbalken, beziehentlich mehrere
derselben). Bei der grossen Einfachheit der alten Wappen darf man
natürlich nicht im Entferntesten einen solchen Reichtum von Kunst-

124) Meier. 9407: Üf bas bIuomcm>ara>e weit was geflogen ein fdjoen gejelt;

3tn jeigt ber begen milte üier unb 3iüein3ig fctjiltc,
Die xoaxn gegangen Ijer für
9417: Srpeltjen fcbilt tr rüeret, ber roirt für 603 gefüeret
(Sen tua>ern £]ernt üf prifes tt>än.
125) Parz. 14 10: ja nenn nad; bienfte alba ben folt,

(ßaEjmuref, ber teerbe man; nu erloubt im, baj er miieje fyln
2Inber tDäpeu, benne im (Sanbin ba r>or gäp, ber üafer flu.
'Der berre pbfac ™it gerenben fiten üf fitte fooertiure gefniteii
2Jnfer liebt Dermin: ba nad] muos ouef) baj an ber fin
Üfme fcbilt unb an ber a>ät. Xlod] grüener benne ein fmarät
Was geprüebet fin gereite gar unb nad; bem adjmarbi Dar,
Daj ift ein fi'bin lacben, bar üj b'c3 er im madieu
lüapenroc unb furfit: eift bejjer bau ber famit.
E;ermin anfer brüf geuaet, gulbiniu feil bran gebraet.
Die abermalige Erwähnung hier von tnapenroc und furfit neben einander mag in
Bezug auf das oben Seite 29 und Anmerkung 45 daselbst Gesagte eine kurze berichtigende
Ergänzung hier Platz finden lassen. Bei sorgsamster Prüfung verschiedener Stellen, be-
sonders in Wolfram's Parzival, scheint in der Tat anzunehmen, dass furfit und tüäpen»
roc nicht ganz genau dasselbe Gewand, aber zwei nach Form und Ausstattung sehr ähn-
liche Kleidungsstücke gewesen sind. Wenn es beispielsweise heisst Parz. 756: ber fjeiben
truoc ein furfit, bar mibe ein roäpenroc erfdjein, so darf man kaum noch zweifeln, dass
furfit eine Art von Überrock bezeichnet, den man vielleicht in der kälteren Jahreszeit über
dem tpäpenroc trug. Beide sind aber durchaus nicht immer gleichzeitig getragen; vorzugs-
weise mag gerade furfit das mit edlem Pelzwerk gefütterte Waffenüberkleid gewesen sein.

ausdrücken erwarten, wie ihn die später codificirte Ars heraldica kennt,
welche leider oft den französischen den Vorzug vor den deutschen
gegeben hat. Manche alte Ausdrücke, wie gefchaeebet oder fcbacb^abelebt
(geschachtet), geftrautuet (bestreuet), gefpreit (gestreckt), tueggerjt (ge-
weckt), sind zwar von der späteren Heraldik übernommen, während
andere, wie genieret (ecartelirt, quadrirt), fparre (Chevron) unnötiger-
weise in's Französische übersetzt sind; dagegen beziehen sich Ausdrücke,
wie beflagen, geflagcn, bebaut, gebraet, ffucfefyte, barüf geleit, gefniten,
ergraben, von Friben, ergaben u. s. w. lediglich auf die alte Technik des
fcbiltaere und mussten deshalb einer späteren Zeit, welche auf alte
Originale nicht zurückgehen wollte, unverständlich sein. Eigenartig war
die doppelte Bezeichnung der Farben im Mittelalter, deren wir schon
bei Stückung aus Pelzwerk gedacht haben, sie hat sich in den englisch-
französischen Kunstausdrücken der Heraldry bis heute erhalten128).
Es bezeichnete: fyaermin (fyarmblcmc) — tüij heute franz. d'ermine127),
3obel oder 5obelin — fiüarj „ „ de sable,
rubin oder von fein — röt „ „ de gueules,
läjüre (lapis lazuli) — blä „ „ d'azur.
Die Bezeichnung finopel für grün entstammt späterer Zeit, denn
im 13. Jahrhundert bezeichnete man damit zunächst röt und am häufig-
sten eine Weinmischung von roter FarbeliS). Dichterischer Pleonasmus
häufte nicht selten zwei, mitunter sogar drei Farbenbezeichnungen, wie
wir Ahnliches noch heute in den deutschen Dialekten der Alpenländer129)
finden: t>on ftpat^em ^obelc alfain ein Fol, von fein röt alfam ein Hellt
rubin, (0 rel]te läfur fin, ba3 fi nirjt blatner Fonben fin u. s. w. Als
Probe für das frische poetische, und zwar einer lebendigen Wirklichkeit,
nicht starren Schulregeln entnommene Froijicren oder plasutiren mag die
Beschreibung dreier Schilde folgen, wie sie der turnet Don Hantlieyl^ giebt:

Der fuenic von Schotten: £wivalktlictiev vatwe fcfjtn

IXXit golbe ftnen fcf?tlt pe»ieng; ein raut gebluemet bor umtue gieng,

Hot, als ie fein rofe erfaitt, was bo mitten uf ben rant

(Seleit ein guelbtn ftricfelin; bie bluomen fasert 115 unb in,

Die Dort bem raube lubten unb als tylien bufyten,

(ßeftellet an ir bilben. Der fcfyilt mit einem ixulben

£etr>en was nerbeefet, ber iuas in golt geffreefet

Hub Iubte Don rubiuen rot, er bran ben ougeu mibe bot

(Bar tuerlicben fcfjirt 5e folbe; man fad) in uf bem golbe

(Seienden miffetüenbe frt180).

Der l)er^oc Don Saufen: <£r (der Schild) fdjetn von jodeten ftueefen
Xlad} ritterlichem rctjte: Sin halbes teil ffucefebte
Von jobel unb Don golbe was, ba$ anber teil, als icb e5 las,
(Erfdjein burdjluct?tic ipij Dermin, unb was von roten fein brin
(Seleit ein halber abelar. Der fuerfte tuol gejieret gar1:!1).

120) Conr. Trqj. 32413: Unb fuorte in einem fcbilte blaue dou läfur einen
X»er fdein wol einer fpannen breit. [blätocn fdjranc

Ulr. v. Liebt. 29Cu: Der fd]ilt was uil »tj üou bärmin,

Dar burd) dou fioarjem jobel gar märu gefniten uil wol jtoC bar.
„ ,, „ 295 21: Das dazu gebörige banier: a>as gefniten rr>o! je ffy dou einem

jenbäl ber was w\i,
Dar büvdi von senbäl ftnarj geuar gefniten fpannen breit 51P0 bar.
Dieser Schild Ulrich's mit den beiden (schwarzen) Schrägbalken findet sich seulpirt auf
seinem im Jahre 1871 gefundenen Grabsteine, der lange Zeit im Pfarrgarten zu St. Jacob,
gegenüber der Lichtensteinisclien Burg Frauenburg, als Treppenstufe gedient hat.

127) Später und noch heute wird (Termine nicht mehr, sondern ausschliesslich d'argent
für Weiss (Silber) in der englischen und französischen Heraldik gebraucht. Diese Be-
zeichnungsweise ist um so notwendiger, als Hermelin (bezw. Gegenhcrmelin) eine in den
Wappen des Westens häufiger vorkommende Art des heraldischen Pelzwerkes ist.
12S) Lanz. 4420: Sin fd]ilt t»as, als er tpolbe,

Dou fiuopele rot genuoe; ein gulbiuen lernen er truoc
Der a>as üf ba3 bret erbabn.
129) Schneeblütrieselweiss, pechrabenschwarz, fuchsteufelswild u. s. w.
180) Die Heraldry in England plasmirt dieses Wappen folgendermassen: Or, a lion
rampant within a double tressure flory counterfiory, gules.

m) Wie man siebet, fehlt in dem hier geschilderten Wappen der Askanischen
Herzoge von Sachsen das über den ganzen Schild gelegte Beizeichen: Der mit Blatt-
ornamenten gezierte Schrägbalken, welchem eine Fabel des Canonicus Krantz im IG. Jahr-
hundert den Namen des Rautenkranzes verschaffte. Dieses Beizeichen erscheint zum ersten
Male in einem Siegel der Brüder Johann und Albert II. von Sachsen (Wittenborg) vom
Jahre 1261; der turnei üon rtantlieYSj ist um etwa zwanzig Jahre später geschrieben,
sein Verfasser hatte somit noch keine Kunde von der inzwischen erfolgten Wappenänderung.
Vergl. Archiv f. Sächs. Gesch. VI. Band 1885. S. 79 ff. Übrigens schildert der um etwa ein
Jahrzehnt jüngere Heinfrit dou Srunsuic 831 ff. das sächsische Wappen ebenso, wie der
turnei, sogar die aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammende Züricher Wappenrolle
zeigt noch dasselbe Wappen für Salden, also ohne den ornamentirten Schrägbalken, mithin
das Askanische Wappen, wie es Tafel IV Fig. 1 der Fürst vou Anhalt auf dem Waffenrocke trägt.

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4) QS3
 
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