— 26 —
B. Allgemeiner Charakter der Mannheimer Architektur
im 18. Jahrhundert. Einteilung in vier Perioden.
Wenn die künstlerische Entwickelung Mannheims von der der übrigen Welt im vorigen
Jahrhundert losgelöst wäre, so könnte man sie in eine Periode Johann Wilhelms, 1695—1716,
Carl Philipps, 1716—1742 und Carl Theodors, 1742—1799 einteilen. Da aber selbstverständlich
die pfälzische Residenz nicht allein steht, sondern recht inmitten einer grossen Entwicklungs-
geschichte, welche ihre Wurzeln im Auslande hat, so ist auch für Mannheim diejenige Ein-
teilung massgebend, die sonst eine allgemeine Anerkennung findet oder verdient. Die land-
läufige Einteilung der Kunst des vorigen Jahrhunderts ist die in das Zeitalter Ludwigs XIV
bis 1716, Ludwigs XV bis 1774, Ludwigs XVI bis 1792 und der Revolution, welche den
Uebergang zur Kunstperiode des Kaiserreiches bildet. Die begründetste Einteilung scheint
mir Johann von Falke in den Aufsätzen über „Wesen und Grenzen des Barockstils" und
„Rococo" zu geben, welche sich in seinem Buche über die „Geschichte des Geschmackes im
Mittelalter und andere Studien auf dem Gebiete von Kunst und Kultur" (Berlin 1892, Allg.
Verein für deutsche Litteratur) findet. Er trennt von der Zeit Ludwigs XV. die der Regent-
schaft des Herzogs Philipp von Orleans, in welcher das Rococo entstand, und die Zeit des
Einflusses der Pompadour, welcher um 1750 fühlbar wird. Eine andere Einteilung, die nicht
rein chronologisch ist, sondern mehr den Zusammenhang der Schulen berücksichtigt, giebt
Cornelius Gurlitt in seinem Werke über die „Geschichte des Barockstils, des Rococo und des
Klassicismus" (II. Abteilung, zweiter Teil Deutschland) Stuttgart 1889. Er spricht zuerst von
dem Jesuitenstil, dann dem protestantischen Barockstil, dann dem Hugenottenstil, dem er von
den hiesigen Bauten das Schloss, das Rathaus, die Konkordienkirche zuweist, nachher vom
italienisch-süddeutschen Barock, zu dem er die Jesuitenkirche rechnet. Davon unterscheidet
er den katholischen Barockstil, zu dessen Meistern er die Dekorateure und Maler Assam zählt,
welche die Schlosskirche ausgeschmückt haben. Endlich nennt er als besondere Gruppe die
französischen Meister, die nach 1750 den Geschmack der Pariser Kunstakademie verbreiteten.
Hier in Mannheim möchte ich vier Perioden unterscheiden: 1.) Die Periode
eines ziemlich strengen Palladianismus mit bescheidener Anwendung von barocken Elementen
von 1700 bis etwa zur Beziehung des Schlosses 1731. 2.) Stärkeres Hervortreten barocker
Konstruktionen und Auftreten der Rococo-Ornamentik an Jesuitenkirche, Kaufhaus, und in
der Innendekoration des rechten Schlossflügels 1731 bis 1756. 3.) Rückkehr zu einfacherer
Konstruktion und Herrschaft antikisierender Ornamentik, besonders seit der Gründung der
Akademie der Zeichnung und Bildhauerkunst 1757, bis zur Vollendung des Zeughauses und
der Sternwarte 1779. 4.) Periode des reinen Klassicismus von 1780 bis zum Ende des Jahr-
hunderts.
Es sind zwei Kunstrichtungen, welche im vorigen Jahrhundert um die Herrschaft
ringen: Die Renaissance und der Barockstil. Die Renaissance ist bekanntlich die Wiedergeburt
der antiken Kunstformen und zwar zuerst mehr derjenigen der römischen Kaiserzeit als der
Blütezeit der griechischen Kunst, von der man in Italien im 15. und 16. Jahrhundert eben
nichts wusste. In der Architektur hat nach Leo Battista Alberti (1404—1472, schrieb „de re
aedificatoria" 1485) vor allem Giacomo Baroggio Vignola (1507—1573) in seinen „Regole delle
, cinque ordini d'architektura" 1563 (Regeln von den fünf Ordnungen der Baukunst) den Kanon
derjenigen Formen festgestellt, welche als klassisch, als regelmässig und als allein nachahmens-
wert erschienen. Dazu gehört die regelmässige Verwendung der fünf antiken Säulen mit ihrem
B. Allgemeiner Charakter der Mannheimer Architektur
im 18. Jahrhundert. Einteilung in vier Perioden.
Wenn die künstlerische Entwickelung Mannheims von der der übrigen Welt im vorigen
Jahrhundert losgelöst wäre, so könnte man sie in eine Periode Johann Wilhelms, 1695—1716,
Carl Philipps, 1716—1742 und Carl Theodors, 1742—1799 einteilen. Da aber selbstverständlich
die pfälzische Residenz nicht allein steht, sondern recht inmitten einer grossen Entwicklungs-
geschichte, welche ihre Wurzeln im Auslande hat, so ist auch für Mannheim diejenige Ein-
teilung massgebend, die sonst eine allgemeine Anerkennung findet oder verdient. Die land-
läufige Einteilung der Kunst des vorigen Jahrhunderts ist die in das Zeitalter Ludwigs XIV
bis 1716, Ludwigs XV bis 1774, Ludwigs XVI bis 1792 und der Revolution, welche den
Uebergang zur Kunstperiode des Kaiserreiches bildet. Die begründetste Einteilung scheint
mir Johann von Falke in den Aufsätzen über „Wesen und Grenzen des Barockstils" und
„Rococo" zu geben, welche sich in seinem Buche über die „Geschichte des Geschmackes im
Mittelalter und andere Studien auf dem Gebiete von Kunst und Kultur" (Berlin 1892, Allg.
Verein für deutsche Litteratur) findet. Er trennt von der Zeit Ludwigs XV. die der Regent-
schaft des Herzogs Philipp von Orleans, in welcher das Rococo entstand, und die Zeit des
Einflusses der Pompadour, welcher um 1750 fühlbar wird. Eine andere Einteilung, die nicht
rein chronologisch ist, sondern mehr den Zusammenhang der Schulen berücksichtigt, giebt
Cornelius Gurlitt in seinem Werke über die „Geschichte des Barockstils, des Rococo und des
Klassicismus" (II. Abteilung, zweiter Teil Deutschland) Stuttgart 1889. Er spricht zuerst von
dem Jesuitenstil, dann dem protestantischen Barockstil, dann dem Hugenottenstil, dem er von
den hiesigen Bauten das Schloss, das Rathaus, die Konkordienkirche zuweist, nachher vom
italienisch-süddeutschen Barock, zu dem er die Jesuitenkirche rechnet. Davon unterscheidet
er den katholischen Barockstil, zu dessen Meistern er die Dekorateure und Maler Assam zählt,
welche die Schlosskirche ausgeschmückt haben. Endlich nennt er als besondere Gruppe die
französischen Meister, die nach 1750 den Geschmack der Pariser Kunstakademie verbreiteten.
Hier in Mannheim möchte ich vier Perioden unterscheiden: 1.) Die Periode
eines ziemlich strengen Palladianismus mit bescheidener Anwendung von barocken Elementen
von 1700 bis etwa zur Beziehung des Schlosses 1731. 2.) Stärkeres Hervortreten barocker
Konstruktionen und Auftreten der Rococo-Ornamentik an Jesuitenkirche, Kaufhaus, und in
der Innendekoration des rechten Schlossflügels 1731 bis 1756. 3.) Rückkehr zu einfacherer
Konstruktion und Herrschaft antikisierender Ornamentik, besonders seit der Gründung der
Akademie der Zeichnung und Bildhauerkunst 1757, bis zur Vollendung des Zeughauses und
der Sternwarte 1779. 4.) Periode des reinen Klassicismus von 1780 bis zum Ende des Jahr-
hunderts.
Es sind zwei Kunstrichtungen, welche im vorigen Jahrhundert um die Herrschaft
ringen: Die Renaissance und der Barockstil. Die Renaissance ist bekanntlich die Wiedergeburt
der antiken Kunstformen und zwar zuerst mehr derjenigen der römischen Kaiserzeit als der
Blütezeit der griechischen Kunst, von der man in Italien im 15. und 16. Jahrhundert eben
nichts wusste. In der Architektur hat nach Leo Battista Alberti (1404—1472, schrieb „de re
aedificatoria" 1485) vor allem Giacomo Baroggio Vignola (1507—1573) in seinen „Regole delle
, cinque ordini d'architektura" 1563 (Regeln von den fünf Ordnungen der Baukunst) den Kanon
derjenigen Formen festgestellt, welche als klassisch, als regelmässig und als allein nachahmens-
wert erschienen. Dazu gehört die regelmässige Verwendung der fünf antiken Säulen mit ihrem