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Mathy, Ludwig
Studien zur Geschichte der bildenden Künste in Mannheim im 18. Jahrhundert: Architektur und Sculptur — Mannheim, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.8038#0038
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— 32 —

Heinrichsbau und Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses, am hiesigen Schlosse, an der
Jesuitenkirche und an den Bauwerken unserer Tage so sehr entzückt; und in den Innenräumen
waren die Stückarbeiten bunt bemalt, natürlich nicht in grellen oder satten Farben, sondern
in den zart gebrochenen Tönen der Zeit der gepuderten Frisuren. Aber dann kam zur Freude
der Tüncher die Zeit, von welcher der Apotheker in Goethes Hermann und Dorothea sagt,
nachdem er die frühere Farbenpracht seines barocken Gartens geschildert:
„Ja, wer sähe das jetzt nur noch an! Ich gehe verdriesslich
Kaum mehr hinaus; denn alles soll anders sein und geschmackvoll,
Wie sie's heissen, uad weiss die Latten und hölzernen Bänke,
Alles ist einfach und glatt; nicht Schnitz werk oder Vergoldung
Will man mehr." (III. v. 583 ff.)
Das erneuerte ernste Studium der antiken Kunst hatte zu der falschen Vorstellung
geführt, die bis zu Semper's Buch über „Bemalte Architektur und Plastik" (1.833) herrschte,
dass die antike Architektur und Skulptur farblos gewesen sei; und da man nun seit 1750 noch
antiker sein wollte als vorher, so ging der Pinsel des Weissbinders über die reizenden Farben
der Stuckaturen eines Assam und Pozzi ebenso schonungslos weg, als der gleichmässige weiss-
liche, gelbliche oder grauliche Oelfarbenanstrich den roten Sandstein, die roten Holzstaketen,
die schwarzen und vergoldeten eisernen Treillen, die geschnitzten Thür- und Thorflügel über-
zog. Jetzt wurde Mannheim erst so eintönig wie es in der ersten Hälfte unseres Jahr-
hunderts gewesen ist. Man denke sich die Arkaden, Pilaster, Fensterkrönungen, Gesimse und
Giebel des Kaufhauses und des Rathauses, die Portale der Konkordienkirche, der Trinitatis-
kirche, die Portale und Fenstergewände so vieler Privathäuser in der Naturfarbe des roten
Neckarsandsteines, den Verputz blassgrün oder hellgelb angestrichen, das Eisenwerk schwarz
mit Vergoldung und bunten Blumen, die Holzschnitzereien entweder in der Naturfarbe oder
durch farbige Töne hervorgehoben, die Nischen mit den Heiligen auch von Gold und Farben
strotzend, so schwindet der Abstand zwischen dem alten und dem neuesten Mannheim er-
heblich zusammen. Auch die Strassendurchblicke haben verloren, seitdem die alten Festungs-
thore nnd die grünen Wälle, welche dem Auge einen nahen und klaren Abschluss boten, ver-
schwunden sind.

C Architektonische Formen.

Um von dem Staude der Architektur in Mannheim im vorigen Jahrhundert ein deut-
liches Bild zu geben, sind zwei Wege möglich: entweder man beschreibt, wie es bisher immer
geschehen ist, die einzelnen Gebäude nach einander, jedes als ein Kunstganzes, mit allen Teilen,
dem Aeusseren und den Innenräumen, den architektonischen, plastischen, malerischen und
kunstgewerblichen Bestandteilen; oder man stellt die gleichartigen Elemente zusammen, trennt
das Aeussere vom Innern und die einzelnen Teile und Künste von einander. Im ersteren
Fall wird grösseres ästhetisches Vergnügen erzielt werden können. Mir ist es aber mehr um
die wissenschaftliche Erkenntnis der verschiedenen Kunstformen zu thun. Darum trenne ich
die Werke der Architektur von denen der Bildhauer und Maler und behandle die Arbeiten der
Bauscht einer und Kunst schmiede in besonderen Abschnitten, ferner gebe ich einstweilen nur
das Ergebnis meiner Studien über die Aussenseite Mannheims, also über alles, was auf Strassen
und Plätzen gesehen werden kann, hoffe aber mich künftighin auch mit den Innenräumen, mit
Malerei und Stukkatur beschäftigen zu können. Auch verzichte ich zunächst auf eine streng
chronologische Anordnung. So gebe ich disiecta membra, die sich aber doch wohl wieder zu
einem Gesamtbilde vereinigen werden.
 
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