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L Grundformen der Wohngebäude.

Die aus dem vorigen Jahrhundert erhaltenen Gebäude Mannheims bieten trotz der ver-
hältnismässig auffallenden Einheitlichkeit des Geschmackes doch recht manchfaltige Formen.
Es giebt hüttenartige Häuschen, an denen die Kunst keinerlei Anteil hat; die Fassade enthält
eine Thür oder, wenn der Bewohner ein Fuhrwerk besass, ein Thor, ein Fenster, darüber das
Dach so nieder, dass man die Dachrinne, hier Kandelrohr genannt, von der Strasse aus mit
der Hand erreichen kann, und im Dach eine dreieckige Luke; von da bis zum Schloss giebt
es gar viele Zwischenstufen, von denen ich einige Typen beschreiben will.

1) Die einstöckigen Häuschen mit einem Fenster müssen noch 1795 sehr zahlreich ge-
wesen sein, obwohl Carl Theodor sie beseitigt wissen wollte; nur in der Unterstadt haben sich
noch einige erhalten.

2) Häufiger war das einstöckige Haus mit zwei, drei und mehr Fenstern.

3) Noch gewöhnlicher war das einstöckige Haus mit Gauben auf dem Satteldach oder
mit einem gebrochenen Mansardendach oder französischen Dach. Die Mansarden sind von
Francois Mansard (1598—1666 in Paris) erfunden worden. Ein sehr hübsches Muster eines
solchen ist das Proviantamt C 7 Nr. 5, vgl. Seite 6 oder K 1, 22, ferner das alte Maierhöfel
L 4, 6, vgl.' Fig. 5. Es gehören dazu einige sehr umfangreiche Gebäude wie das jetzige
Grossh. Institut mit 25 Fenstern in der Front L 3, 1, wo die beiden Dachformen auf den
beiden ursprünglich selbständigen Teilen des Hauses neben einander vorkommen, und das
Stephanienschlösschen, sowie die Kommissbäckerei in G 7, Seite 6.

4) Oftmals erhebt sich über dem Erdgeschoss ein Giebelbau mit einem oder zwei
Fenstern, wie am Militärwaschhaus C 7, Seite 6.

5) Das zweistöckige Haus, nach hiesiger Ausdrucksweise ein Haus mit einem Ober-
geschoss, welches hier der zweite Stock heisst, herrscht in der Oberstadt, der Extension zwi-
schen Planken und Schloss, vor.

Es war das Haus des vermöglichen Mittelstandes, des höheren Beamten, des niederen
Adels, das richtige Hagenottenhaus. Bürgerliches selbstbewusstes Behagen breitet sich darüber
aus. Es hat oft eine beträchtliche Ausdehnung in die Breite, wie z. B. das Regierungsgebäude
B 5, 15, das jetzt dem Kommerzienrat Joerger gehörige Haus M 5, 5, das ehemals Freiherr
von Zwack'sche Haus C 4, 9 b. Das Schulhaus, ehemals Kloster in L 1, 1, die Köster'sche
Bank, ehemals Lotteriehaus L 1, 2, die Häuser A 1, 1 und A 1 9 sowie L 2, 1 und zahlreiche
andere der behäbigsten und behaglichsten Häuser der Stadt gehören in diese Kategorie. Viele
von den ehemals zweistöckigen Häusern haben erst in den letzten Jahrzehnten noch ein oder
zwei Obergeschosse aufgesetzt bekommen und werden wohl noch ein Jahrhundert aushalten.
Einzelne sind palastartig wie B. 1, 6 und 7, das ehemals Hundlieim'sche Hotel, mit 9 Fenstern
in der Front nach der breiten Strasse Fig. 6. Auch das ganze Kaufhausquadrat gehört hierher.
Villenartig war das Mühlauschlösschen, welches vor 2 oder 3 Jahren abgebrochen wurde.

6) Ueber dem zweistöckigen Hause wiederholen sich die Dachformen des einstöckigen
Hauses: Dach mit dreieckigen Luken wie M 1, 5 oder mit Mansarden wie L 4, 2 und 3 oder
mit einem Giebelbau wie C 1, 2 Fig. 7 und F 2, 6 und 10, ferner N 3, 7 und 8; besonders
schön ist N 3, 3 Fig 8 mit einem Giebelbau von drei Fensterbreiten, worüber noch ein Fenster
im Dreieckfeld angebracht ist; letztere Form scheint namentlich bei Gasthäusern üblich ge-
wesen zu sein; ein leeres Giebelfeld in der Höhe der Mansarden hatte über dem Mittelportal
das Palais B 4, 2. Es ist daran zu erinnern, dass zweistöckige Bauten mit Giebelwänden
nach der Strasse von der Regierung mindestens in den fünf Hauptstrassen gewünscht waren.
 
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