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lässt; diese Erkenntniss gewährt zunächst ein intellektuelles Vergnügen: so ist die Stärke
der Mauern, die Gliederung der Stockwerke, die Einteilung in Hauptbau und Nebengebäude,
die Lage des Treppenhauses und des Festsaales am hiesigen Schlosse schon äusserlich sichtbar.
Dagegen berührt es unsern Wahrheitstrieb unangenehm, wenn wir uns durch das Aeussere
getäuscht sehen, wenn z. B. der Bibliothekbau des Schlosses der Symmetrie mit der Schloss-
kirche wegen so hohe Fenster hat, dass er scheinbar nur einen Ii oben kirchenartigen Innen-
raum enthält, während er in der That in zwei Stockwerke eingeteilt ist, so dass der Boden
des Bibliotheksaales die hoben Fenster durchschneidet, ohne in der Gliederung der Aussenwand
angedeutet zu sein. So ist eine Vorhalle mit Säulen durch den Zweck gerechtfertigt etwa bei
verschlossenen Thüren dem Ankömmling gegen Sonnenschein und Begen Schutz zu gewähren;
wird aber nur eine perspektivische Ansicht einer Vorhalle auf die Wandfläche aufgesetzt, ohne
den versprochenen Schutz zu gewähren, oder wird der Sinn eines Daches dadurch vernichtet,
dass die Giebelkrönung über Portalen und Fenstern oben geöffnet wird, so fühlen wir uns
durch ein öpiel mit Formen ohne praktischen Zweck gefoppt. Aus der Ferne kann uns der
Anblick eine Zweckbestimmung vortäuschen, in der Nähe aber erkennen wir ein blosses deko-
ratives Spiel mit architektonischen Formen, das uns zwar vielleicht ästhetisch ergötzt, aber
ein intellektuelles Missbehagen erregen, uns sozusagen moralisch verletzen muss.
Alle architektonischen Bestandteile, welche entweder wirklich einen praktischen Zweck
haben, wie Wände und Dach, Thüren und Fenster, Gänge und Treppen, oder eine Zweck-
bestimmung andeuten, wie Lisenen, Gurte; äussere und innere Stützen, Treppenhäuser, Türme,
Kuppeln, Giebelfelder, gehören zu den wesentlichen konstruktiven Elementen eines
Gebäudes. Diese können durch Form und Farben, namentlich durch die Massverhältnisse auch
ästhetisch in hohem Masse befriedigen. Alle Zuthaten aber, welche nur ästhetische Zwecke
haben, gehören nicht zum Wesen der Architektur; dahin ist alle Ausschmückung mit Bild-
hauerarbeit und Malerei zu rechnen. Nehmen diese Zierraten so überhand, dass sie die architek-
tonischen Formen überwuchern, so mögen sie zwar an und für sich recht schön sein, aber sie
beeinträchtigen die eigentliche Wirkung des Baues.
Dies gilt zunächst für die Aussenseite. Denn die volle ästhetische Wirkung erzielt ein
Bauwerk erst in einer Entfernung, aus der das Ganze mit einem Blick überschaut werden
kann. In solcher Ferne wird aber jedes Gemälde und jedes Werk des Meisseis nur als Flächen-
dekoration zur Belebung der Massen dienen, während seine eigentlichen Schönheiten erst in
der Nähe zu erkennen sind. Tritt man aber so nahe heran, dass man die volle Schönheit des
Schmuckstückes gemessen kann, so wirkt es als Kunstwerk für sich, und die umgebende
Architektur wird nur ein unwesentlicher Rahmen. In diesem Sinne ist z. B. die Dekoration
der Certosa (Karthäuserkirche) zu Pavia oder des Zwingers zu Dresden viel zu üppig. Die
Hochrenaissance hat darum im allgemeinen auf solchen Schmuck verzichtet.
Anders in Innenräumen. Hier ist man den Wänden und der Decke so nahe, dass ein
architektonischer Ueberblick im selben Sinne wie von aussen nicht möglich ist, wie schon die
Unmöglichkeit beweist, vom Innern eines Saales oder einer Kirche ein vollkommenes, das
Ganze umfassendes Gemälde zu schaffen. Dagegen können hier die Schönheiten der Dekorationen
durch Stuckornamente, Bildhauerei und Malerei vollauf genossen werden. Doch sollten auch
hier die Hauptglieder des Aufbaues, des Hauptgesims, die Fensterpfeiler, die Konstruktion der
Decke klar zu erkennen sein und nicht von dekorativen Bestandteilen überwuchert werden.
Wer nun die Schönheit der Architektur nach den unwesentlichen Zugaben beurteilt,
wird an den alten Gebäuden Mannheims nicht viel zu bewundern finden; denn es herrscht hier
lässt; diese Erkenntniss gewährt zunächst ein intellektuelles Vergnügen: so ist die Stärke
der Mauern, die Gliederung der Stockwerke, die Einteilung in Hauptbau und Nebengebäude,
die Lage des Treppenhauses und des Festsaales am hiesigen Schlosse schon äusserlich sichtbar.
Dagegen berührt es unsern Wahrheitstrieb unangenehm, wenn wir uns durch das Aeussere
getäuscht sehen, wenn z. B. der Bibliothekbau des Schlosses der Symmetrie mit der Schloss-
kirche wegen so hohe Fenster hat, dass er scheinbar nur einen Ii oben kirchenartigen Innen-
raum enthält, während er in der That in zwei Stockwerke eingeteilt ist, so dass der Boden
des Bibliotheksaales die hoben Fenster durchschneidet, ohne in der Gliederung der Aussenwand
angedeutet zu sein. So ist eine Vorhalle mit Säulen durch den Zweck gerechtfertigt etwa bei
verschlossenen Thüren dem Ankömmling gegen Sonnenschein und Begen Schutz zu gewähren;
wird aber nur eine perspektivische Ansicht einer Vorhalle auf die Wandfläche aufgesetzt, ohne
den versprochenen Schutz zu gewähren, oder wird der Sinn eines Daches dadurch vernichtet,
dass die Giebelkrönung über Portalen und Fenstern oben geöffnet wird, so fühlen wir uns
durch ein öpiel mit Formen ohne praktischen Zweck gefoppt. Aus der Ferne kann uns der
Anblick eine Zweckbestimmung vortäuschen, in der Nähe aber erkennen wir ein blosses deko-
ratives Spiel mit architektonischen Formen, das uns zwar vielleicht ästhetisch ergötzt, aber
ein intellektuelles Missbehagen erregen, uns sozusagen moralisch verletzen muss.
Alle architektonischen Bestandteile, welche entweder wirklich einen praktischen Zweck
haben, wie Wände und Dach, Thüren und Fenster, Gänge und Treppen, oder eine Zweck-
bestimmung andeuten, wie Lisenen, Gurte; äussere und innere Stützen, Treppenhäuser, Türme,
Kuppeln, Giebelfelder, gehören zu den wesentlichen konstruktiven Elementen eines
Gebäudes. Diese können durch Form und Farben, namentlich durch die Massverhältnisse auch
ästhetisch in hohem Masse befriedigen. Alle Zuthaten aber, welche nur ästhetische Zwecke
haben, gehören nicht zum Wesen der Architektur; dahin ist alle Ausschmückung mit Bild-
hauerarbeit und Malerei zu rechnen. Nehmen diese Zierraten so überhand, dass sie die architek-
tonischen Formen überwuchern, so mögen sie zwar an und für sich recht schön sein, aber sie
beeinträchtigen die eigentliche Wirkung des Baues.
Dies gilt zunächst für die Aussenseite. Denn die volle ästhetische Wirkung erzielt ein
Bauwerk erst in einer Entfernung, aus der das Ganze mit einem Blick überschaut werden
kann. In solcher Ferne wird aber jedes Gemälde und jedes Werk des Meisseis nur als Flächen-
dekoration zur Belebung der Massen dienen, während seine eigentlichen Schönheiten erst in
der Nähe zu erkennen sind. Tritt man aber so nahe heran, dass man die volle Schönheit des
Schmuckstückes gemessen kann, so wirkt es als Kunstwerk für sich, und die umgebende
Architektur wird nur ein unwesentlicher Rahmen. In diesem Sinne ist z. B. die Dekoration
der Certosa (Karthäuserkirche) zu Pavia oder des Zwingers zu Dresden viel zu üppig. Die
Hochrenaissance hat darum im allgemeinen auf solchen Schmuck verzichtet.
Anders in Innenräumen. Hier ist man den Wänden und der Decke so nahe, dass ein
architektonischer Ueberblick im selben Sinne wie von aussen nicht möglich ist, wie schon die
Unmöglichkeit beweist, vom Innern eines Saales oder einer Kirche ein vollkommenes, das
Ganze umfassendes Gemälde zu schaffen. Dagegen können hier die Schönheiten der Dekorationen
durch Stuckornamente, Bildhauerei und Malerei vollauf genossen werden. Doch sollten auch
hier die Hauptglieder des Aufbaues, des Hauptgesims, die Fensterpfeiler, die Konstruktion der
Decke klar zu erkennen sein und nicht von dekorativen Bestandteilen überwuchert werden.
Wer nun die Schönheit der Architektur nach den unwesentlichen Zugaben beurteilt,
wird an den alten Gebäuden Mannheims nicht viel zu bewundern finden; denn es herrscht hier