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in dieser Beziehung auch in den Glanzzeiten Carl Philipps und Carl Theodors in der gesamten
Aussenarchitektur eine fast nüchterne Sparsamkeit. Wer aber für die wesentlichen Schönheiten
der Baukunst ein Auge hat, wird die bedeutendsten öffentlichen Bauten und auch einige Privat-
häuser mit wahrem Genuss betrachten.

Renaissance, Barockstil, Rococo und Klassicismus durchdringen sich hier in inniger
Weise. Die verschiedenen Stilformen mischen sich öfters in ein und demselben Bau, doch
immer so, dass die Elemente leicht von einander zu scheiden sind. An den öffentlichen Ge-
bäuden ist die Konstruktion meist durchaus von der Renaissance eingegeben; untergeordnete
Glieder und Ornamente dagegen entstammen im Anfang des Jahrhunderts dem Baroco," um
die Mitte dem Rococo und etwa im letzten Drittel der Antike. Im Innern der grösseren
Prunkgemächer des Schlosses, einiger Privathäuser und der Kirchen giebt gleichfalls die
Renaissance das tragende Gerippe ab; doch drängt sich das barocke Detail, namentlich in der
Behandlung der Stützen und Rahmen, lebhaft vor; die Flächendekoration aber ist vom
phantasievollsten Rococostil beherrscht, der aber allmählich den antikisirenden Formen
weichen muss.

Alle diese Formen werden in den besseren Werken mit spielender Leichtigkeit be-
wältigt und fügen sich so in einander, dass sie sich meist zu einer vollkommen harmonischen
Gesamtwirkung vereinigen. Vor allem wird auf malerische Wirkung des Ganzen abgesehen,
Diese wird durch verschiedene Mittel erreicht: zunächst dadurch, dass die geraden Fronten
durch vorspringende Eck- und Mittelpavillons, durch Abwechslung von vorspringenden Ecken
und einspringenden Winkeln gebrochen werden; ferner dadurch, dass den Fassaden perspek-
tivisch täuschende oder auf perspektivische Täuschung berechnete Bauglieder vorgelagert
werden: Säulenstellungen mit schrägwinkelig aus der Bauflucht vorspringenden Gebälks-
verkröpfungen, mit einem in Form eines Kreisfragmentes konvex vorspringenden Gebälk und
mit den Formen, welche der Architekt als Blendwerk bezeichnet: Blendarkaden, Blendportale,
Blendballustraden; weiter durch reichliche Abwechslung der Formen der Umrahmungen und
Krönungen von Fenstern und Thüren sowohl in horizontaler als in vertikaler Richtung, indem
z. B. jedes Stockwerk besondere Fensterumrahmungen hat oder im gleichen Stockwerk zweierlei
Krönungen oder Verdachungen mit einander abwechseln; endlich durch Verwendung von Bild-
hauerarbeit zur Dekoration, seien es Statuen in besonderen Nischen oder freistehend auf
Ballustraden, seien es Gesichtsmasken in den Schlusssteinen 'der Portal- und Arkadenboeren
sowie der Fensterstürze, seien es Relieffüllungen "der Giebelfelder, Wappen, Initialen, Kar-
tuschen oder Laub- und Blumengewinde und Arabesken; endlich durch Abwechslung der
Farben, namentlich in den Innenräumen, die wir uns nicht leicht zu farbenprächtig vorstellen
können; aber auch die Fassaden mit ihren Gesimsen und Lisenen und Umrahmungen aus rotem
Sandstein und dem wechselnden Anstrich des Bewurfes, mit dem reichvergoldeten Eisenwerk
der Fenster- und Oberlichtgitter und Balkonbrüstungen, mit den zierlich geschnitzten und ent-
sprechend bemalten Thüren und Thoren gewährten ein buntes Bild.

Mit dieser malerischen Wirkung verband sich die der Massivität; denn wenn wir auch
vielfach denjenigen Eindruck der Echtheit vermissen, der in unserer neuesten Architektur, —
seit etwa 1870 — dadurch hervorgerufen wird, dass in den Fassaden überall die Bausteine
ohne Tünche, ohne Bewurf sichtbar sind, wenn vielmehr im vorigen Jahrhundert fast alle
Wände aus wildem Mauerwerk hergestellt, mit Mörtel beworfen und übertüncht waren, so
sind doch so viele Bauteile, wie Säulen und Halbsäulen, Pilaster und Lisenen, Fenstergewände
und Portale, Gesimse, Friese, Ballustraden aus rotem oder graugelbem Sandsteine gehauen und
sind dazu so mächtige Blöcke verwendet, dass unbedingt ein massiver Eindruck erzielt wird.
 
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