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Tempel ab"). Alle diese Werke der Kunst befanden sich innerhalb
des heiligen Tempelbezirks.
Von dem Tempel des Apollo sieht man jetzt weiter nichts mehr,
als einige Säulenftücke und eine alte, beschädigte und unförmliche
Mauer unter der kleinen Kirche der heiligen Helia.
Vergeblich suchte ich die Höhle der Weissagung zu entdecken. Dio-
dor von Sicilien giebt zwar an, daß sie sich im Allerheiljgsten des
Tempels befunden habe"). Doch auch dieses ist verschwunden. Eben
so der Ort, wo die berühmten Marmortafeln lagen, die nach der Mei-
nung der Griechen den Mittelpunkt der Erde bedeckten, der Tempel der
Minerva und das Gymnasium. Alles ist zerstört.
Fünk und -reisigster Kriek.
Delphi, den 6. August 1833.
Der Platz, der unter den Trümmern von Delphi meine besondere
Aufmerksamkeit auf sich zog, war die kastalische Quelle. Sie ist eben
so merkwürdig durch ihren alten Ruf, als durch ihre romantische Lage.
Der begeisterte und begeisternde Strom befindet sich wenige hundert
Ruthen von dem heutigen Dorfe gegen Osten, am Fuße der furchtba-
ren Abhänge des Parnaffos. Die zwei berühmten Felsen, die Phädria-
den, erheben sich fast senkrecht über der Quelle, indem sie sich in die
beiden Gipfel Naupleia und Hyampeia theilen, welche dem Bacchus
und Apollo gewidmet waren.
Die kastalische Quelle ist klar, und gewährt ein herrliches Trink-
wasser. Dies Wasser, das aus dem Felsen hervorbricht, wurde im
Alterthume in einem unterirdischen Behälter aufgefangen, wo es zum
Gebrauche der Pythia und der Orakelpriester bestimmt blieb. Einige
in den Felsen eingehauene noch sichtbare Stufen bildeten die Treppe,
welche zu diesem Bade hinab führte.
Die Quelle ziert und schmückt herabhängender Epheu. Sie über-
schattet ein sehr großer Feigenbaum, dessen Wurzeln in die Oeffnungen
und Spalten des Felsen eindringen, während seine Ungeheuern Aeste
rings um diesen so höchst merkwürdigen Platz einen äußerst kühlen
und erfrischenden Schatten verbreiten. Der Quelle gegenüber hatten
wir den Anblick eines majestätischen Platanus, der sie ebenfalls gegen
die Sonnenstrahlen schützt, die nur wenige Stunden des Tages auf sie
fallen. An dieser Stelle gedenkt Homer in seiner Hymne an Apollo
der Quelle Delphousa, womit er wahrscheinlich die kastalische meinte.