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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0028
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20

III.
Der Überblick über die Literatur hat gezeigt, daß etwa seit
den Perserkriegen die künstlerische Naturpersonifikation zugleich
mit ihrer stärksten Intensität την έαοτης φΰσιν erreicht hat. Prin-
zipiell besteht zwischen der Hellas und Asia bei Aischylos und
den Personifikationen Claudians in dieser Hinsicht kein Unter-
schied, weshalb es überflüssig ist, die literarischen Zeugen weiter
zu vernehmen. Für die im Kulte erscheinenden Ortspersonifi-
kationen folgt daraus nur, daß sie nicht älter sein können als jene
Epoche. Die Tatsache ihrer Existenz ist aber merkwürdig genug
und, wenn auch kaum des Beweises, so der Erklärung und näheren
Bestimmung noch sehr bedürftig. Denn die Annahme Furt-
wänglers J), sie hätten sich im späteren Hellenismus aus dem Tyche-
kult heraus entwickelt, ist weder bewiesen noch bei näherer Prüfung
stichhaltig.
Daß infolge der im griechischen Geistesleben immer mehr nicht
nur in die Tiefe, sondern auch die Breite dringenden Keflexion an
den großen olympischen so gut wie an den alten Stammesgöttern
eigentlich schon seit dem Mittelalter der griechischen Geschichte
eine ganz allmähliche „religiöse Verwitterung“1 2) wahrzunehmen
ist, darf als anerkannte Tatsache gelten3). Daß in dieser Hin-
sicht die Aufklärung vom Ende des V. Jahrhunderts sich besonders
stark geltend machen mußte, ist ebenfalls klar4). Die rationali-
stische und reflektierende Zeit aber verlangt — wenn überhaupt
— rationalistische und reflektierte Götter, d. h. Personifikationen
als Götter, deren Kultus allerdings „mit einem Minimum von
Götterglauben wohl verträglich“ ist (J. Burckhardt).
Dazu kommt als eine Erscheinung derselben Zeit das, was

1) Zu Sammlung Sabouroff Tafel 25.
2) Oldenberg, Religion des Veda S. 52 f.
3) Rohde, Griechischer Roman 2. Aufl. S. 296 f. Wendland, Hellenistisch-
römische Kultur etc. 3. Aufl. S. 99 f.
4) Rohde, Psyche II. 3. Aufl. S. 246. „Alle Überlieferung in Glauben und
Sitte, nicht aus der Reflexion geboren und nicht aus ihr zu rechtfertigen, war
schon verloren, sobald sie, wie alles herkömmlich Feststehende in M eit und Leben,
der kalte Blick dieser selbstherrlichen Dialektik des Schutzes selbstverständlicher
Gültigkeit entkleidete“. — Wohl niemals ist dieser Gesichtspunkt schärfer heraus-
gekehrt worden als von Jakob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte IV, S. 270 ff.
da, wo er in dem Abschnitt über den Menschen des V. Jhdts. die Abwendung
vom Mythos und den allgemeinen Unglauben dieser Zeit bespricht. Vgl. auch
Furtwängler zu Samml. Sabouroff, Taf. 25 Anm. 18. v. Wilamowitz, Ein! in
die griech. Tragödie 105 ff.
 
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