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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0098
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90

Von diesen Resultaten aus scheint mir nun die Deutung der
vier liegenden Frauen im Westgiebel des olympischen Zeustempels
als Ortsnymphen x), wenn auch nicht ihre definitive Entscheidung,
so doch eine bedeutende Stütze zu bekommen. Der Grund Stud-
niczkas, der für Treu schließlich den Ausschlag gegeben hat, Lapi-
thinnen in ihnen zu erblicken1 2), nämlich die Art der Gewandung
bei den beiden vorderen kann, worauf mein Lehrer G. Körte mich
aufmerksam macht, bei dem freien Gewandstil dieser Giebel, der
keineswegs konsequent die Formen der Wirklichkeit festzuhalten
sucht, sondern ihnen oft genug geradezu Hohn spricht, diese Kraft
nicht haben, und andererseits wäre es gewiß ein höchst absonder-
licher Gedanke, bei diesem Kampfe auf die Pfühle geflüchtete
Weiber darzustellen. Dagegen was über Charakter und Verwen-
dung der zuschauenden Ortsnymphen in der Kunst des V. Jhdts.
festzustellen war, würde den Verhältnissen des Giebels so wohl
entsprechen, daß ich keinen Grund mehr sehe, an der Natur der
vier Frauen als solcher Wesen zu zweifeln.
VI.
Die Personifikation von Flüssen in Mythos, Dich-
tung und Kultus braucht hier nur gestreift zu werden, weil über
sie bereits oft und ausführlich gehandelt ist, zuletzt von IVaser
P. W. VI 2771 ff.
Im Gegensatz zu Stadt und Land ist der Fluß ein so ein-
faches Naturphänomen und von so unmittelbarer Eindrucksfähig-
keit gerade für den primitiven Menschen, daß die Personifikation
im Mythos bei ihm etwas noch viel allgemeiner Geübtes ist
als dort; Personifikation natürlich wieder im Sinne des Polydä-
monismus. Daher die Masse der Sagen, in denen der Flußgott
als König oder als Ahnherr eines Geschlechtes auftritt oder um
ein Weib wirbt oder mit einem Helden ringt, oder wovon sie
sonst noch alle handeln mögen, und die zumeist in vorepischer
Zeit längst fertig waren; denn dem epischen Dichter sind solche,
in Menschengestalt erscheinende Flußgötter etwas sehr Geläufiges:
Sie gehen mit den Nymphen zur Götter Versammlung (Y 7), Posei-
don nimmt die Gestalt des Enipeus an, als er sich an der Mündung
des Flusses der Königstochter Tyro naht (λ 238 ff.), und άνέρι εισά-
1) Loeschcke, Dorpater Progr. 1887, 1 f. Robert, D.L.Ztg. 1888, 602 f.
G. Körte, B.pji. W. 1892, 1049 Anm. Bettie, A.D. II S. 1 und A. A. 1893, 8,
anfänglich auch Treu A. J. 1891, 105 haben sie vertreten.
2) Olympia III 92. 136 vgl. 129.
 
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