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Versuch sein, nun auch den Begriff des Positiven in die
Philosophie einzuführen? 1). Dieser Aphorismus verkündet
eine Idee, die damals gleichsam in der Luft lag und für die
antikritische Stimmung der Romantik und ihr Verlangen ein
Positives, Begründetes aufzuweisen, an dem alle Skepsis
zerschellen musste, recht charakteristisch ist. Ihre Ausfüh-
rung hat sie in eigentümlich verschiedener Weise in der
deutschen Philosophie durch Schelling, in der französischen
durch Comte erfahren.
Das Bestreben der Romantiker zu synthesieren, ihre
ganze universalistische und unionistische Tendenz, wie sie
in der Philosophie in dem Suchen nach der einheitlichen
Quelle aller Kulturbetätigungen der Menschen und nach der
Ordnung ihres Zusammenhanges, in der Politik in dem
Postulat des Weltbürgertums sich geltend machte, führte auf
religiösem Gebiete zur prinzipiellen Verwerfung jeglicher
konfessionellen Zersplitterung und Sektenbildung, die mit
dem Gedanken einer Universalkirche, wie er mit Zähigkeit
festgehalten wurde, unvereinbar schien.
Trotzdem ist Schelling weit davon entfernt, etwa wie
die französische Romantik, die Gesundung der sozialen Ver-
hältnisse aus der Errichtung eines autoritativen Systems auf
ethisch-religiösem Gebiet zu erhoffen. Er ist ein ausge-
sprochener Gegner des hierarchischen Gedankens, wenn er
auch seine historische Bedeutsamkeit anerkennt, während
Comte, der französische Romantiker, ein enthusiastischer
Bewunderer des theokratischen Systems der römischen Kirche
ist2). So sieht Schelling noch in seiner letzten Schaffens-
periode in dem Protestantismus das individuelle Prinzip, das
sich gegen die falsche Theokratie des Papsttums erhebt.
Der Protestantismus ist die grosse individuelle Tat des deut-
schen Volkes: „In der Reformation, in diesem grossen Er-
eignis, hat sich die geschichtliche Bestimmung der Deutschen
und ihr Beruf ausgesprochen, über der politischen Einheit,
die durch die Reformation verloren gehen musste, die höhere
zu erkennen und zu verwirklichen. Mit der Zerstörung des
Ideals übernahm der Deutsche die Aufgabe, an dessen Stelle
die wahre Theokratie zu setzen, die nicht ein Stellvertreter
und Priesterherrschaft sein kann, die eine Herrschaft des
erkannten göttlichen Geistes selber sein wird" 3).
Die geschichtsphilosophischen Anschauungen Comtes be-
gegnen sich ferner mit denen der deutschen Romantik in

1) Athenäum, Bd. I, 2, S. 4.

2) Comte über die Hierarchie. Cours. Bd. V, 244ff. Chateaubriand,
Geist des Christentums, Bd. II, S. 277.

3) Schelling, Werke II, 1, S. 546.

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